Am 09.08.2023 meldet Andreas Müller auf seiner Seite Grenzwissenschaft-aktuell.de Neuigkeiten zu der Anlage von mittelneolithischen Kreisgrabenanlage von Goseck.
(Titelbild: Rekonstruktion der Kreisgrabenanlage aus der Luft von Goseck)
Aus dem zentral- und osteuropäischen Mittelneolithikum sind etwa 150 sogenannte Kreisgrabenanlagen bekannt, von denen nur wenige umfassend und systematisch archäologisch untersucht worden sind.
Die Funktion dieser Großbauten wird intensiv diskutiert. Diese Anlage – die von der ca. 4900 bis 4600/4550 v. Chr. existenten Stichbandkeramik-Kultur errichtet wurde, – wurde, wie Müller berichtet, im Rahmen einer Kooperation des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) vollständig ausgegraben.
Bei diesen Anlagen handelt es sich, wie Müller einer Pressemitteilung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte – entnimmt, um kreisförmige oder elliptische annähernd konzentrische Arrangements aus Gräber und Palisaden, die Durchmesser von 40 bis 250 Meter ausweisen.
Die wenigsten davon sind bislang noch nicht umfassend und systematisch archäologisch untersucht worden. Als Funktionen dieser Großbauten werden Zentralplätze für Versammlungen, Viehgehege, Verteidigungsbauten, astronomische Observatorien und Räume für kultische Handlungen diskutiert.
Dr. Norma Henkel vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie legte mit der Publikation der Untersuchungen in der oben genannten Kreisgrabenanlage von Goseck im Burgenlandkreis, Sachsen-Anhalt, neue Erkenntnisse vor.
1991 war diese Kreisgrabenanlage von vom Luftbildarchäologen Otto Braasch bei luftbildarchäologischen Untersuchungen entdeckt worden und zwischen 2002 und 2004 wurde sie, wie oben bereits erwähnt, vollständig ausgegraben. Die Ergebnisse waren spektakulär und aus diesem Grund wurde die Anlage vor Ort vollständig rekonstruiert. Seit 2005 ist sie für die Öffentlichkeit zugänglich. Ein weiteres – groß angelegtes – Projekt folgte zwischen 2005 und 2013: Prof. Dr. François Bertemes vom MLU erschloss die Kreisgrabenanlage in ihrer siedlungsträchtigen Einbettung in umfassender Weise.
Nimmt man die kompletten Anlagen, so zählt jene von Goseck zu den eher einfachen Anlagen, die einen Graben, einen möglicherweise vorgelagertem Wall sowie zwei konzentrischen Pallisadenkränze – die den Innenraum abgrenzen – aufweisen. Graben und Palisaden hatten drei Eingänge, die im Norden, Südosten, bzw. Südwesten lagen. Zahlreiche Gruben, die meist Tierknochen und Keramik erhielten, fanden sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Anlage. Viele Befunde wiesen aus eine sakrale Funktion des Bauwerks hin.
Eine auffällig hohe Funddichte von Rinderschädelfragmenten sowie 30 Hornzapfen von Rindern wurden im Bereich des Kreisgrabens aufgefunden. Überhaupt sind Rinder die mit Abstand am häufigsten vorkommende Gattung im Tierknocheninventar der Anlage. „Die besondere Bedeutung und mystische Überhöhung von Rindern in der Jungsteinzeit lässt sich in vielen neolithischen Kulturen, insbesondere auch an zahlreichen Kreisgrabenanlagen, fassen“, sagt Müller.
Richten wir unseren Blick in den Südosten der Anlage, so stellen wir fest, dass die äußere Palisade eine ungefähr 1,60 x 1,30 Meter große Grube schneidet. Der Grubenbefund ist ungewöhnlich, denn
- Die Grubenwände waren stark durchgeglüht (Gruben mit Spuren von Feuereinwirkung finden sich an unterschiedlichen Stellen der Anlage).
- Die Grube enthielt – neben den Brandspuren – menschliche Knochen eines erwachsenen Menschen. Ausschließlich Teile menschlicher Extremitäten wurden gefunden – Knochen von Rumpf oder Schädel gab es dort nicht.
„Da die Knochen nicht mehr im anatomischen Verband lagen, ist von einer Deponierung im bereits teilskelettierten Zustand auszugehen. Ein weiterer Grubenbefund enthielt fünf Finger- und Mittelhandknochen einer menschlichen rechten Hand“, sagt Müller und weiter: „Die Knochen wurden im anatomischen Verband niedergelegt und gehörten einem juvenilen/erwachsenen Mann.“
Astronomische Bezüge verweisen Müller zufolge auf eine sakrale Funktion der Kreisgrabenanlage. Begeben wir uns in (ungefähr) die Mitte der Anlage, so ließen sich von hier aus die Sonnenauf- und -untergänge wichtiger astronomischer Ereignisse mit einer Genauigkeit auf wenige Tage exakt vorherbestimmen und beobachten.
„Die bedeutendsten Visurlinien verlaufen durch die beiden Öffnungen im Südosten und Südwesten“, sagt Müller, denn vor hier spiegelten sich die Öffnungen die Palisaden auf im Kreisgraben wieder., die mit den Auf- und Untergangspunkten der Sonne zur Wintersonnenwende (am 21. September) übereinstimmten. Andere Öffnungen der Palisaden entsprechen der Sommersonnenwende am 21. Juni und der Beltane – dem Sommeranfang im irischen Kalender (am 30. April) überein.
Müller spricht im Zusammenhang mit der Kreisgabenanlage von Goseck von einer „Opferstätte“ und einem „Observatorium“.