Wenn wir bei Atlantisforschung.de betonen, dass es eine große Menge interessanter, beachtens- und prüfenswerter Indizien für die rezente Existenz einer – oder mehrerer – extrem großwüchsiger Menschen- oder Hominden-Form/en gibt, müssen wir uns natürlich auch mit der Tatsache auseinandersetzen, dass beileibe nicht jede Fund-Meldung oder Beschreibung „authentischer“ Riesen, Hünen und Giganten auf Tatsachen beruht.
Gerade, wenn man sich tiefgreifender mit dem historischen Hintergründen solcher Berichte befassen will, sollte man sich daher zunächst etwas eingehender mit den Fälschungen beschäftigen, die es in diesem Bereich immer wieder gegeben hat. Auch wir wollen daher an dieser Stelle einen kleinen Exkurs in die ‚wunderbare Welt‘ der Riesen-Fakes und Pseudo-Giganten machen.
Dazu werfen wir zunächst einen Blick auf eine Grafik, die der amerikanische Journalist Steve Quale auf seinen Webseiten vorstellt. Diese graphische „Gegenüberstellung“ präsentiert uns eine Reihe von Riesen-Skeletten, deren Größen-Angaben entweder aus mythologischen Quellen stammen, oder aus Fundberichten, deren Authentizität auf dem Prüfstand steht.
Specimen A stellt das Skelett eines „normalen“, etwa sechs Fuß großen Menschen dar. Bei Exponat B handelt es sich um die Darstellung eines 15 Fuß großen Skelettes, das angeblich in den späten 1950er Jahren im Euphrat-Tal, in der südöstlichen Türkei entdeckt worden sein soll. Exemplar (C) repräsentiert das Skelett des römischen Kaisers Maximinus Thrax (235 – 238 n. Chr.), der eine Größe von 8 Fuß 6 Inches erreicht haben soll. (D) soll das Skelett des biblischen Riesen Goliath abbilden, der etwas mehr als 9 Fuß groß gewesen sein soll (I Samuel 17:4). Ebenfalls im Alten Testament wird König Og (E) erwähnt (Deuteronomium 3:11), der eine Größe von mindestens 12 Fuß groß aufgewiesen habe.
Skelett (F) ist einem Bericht über die Entdeckung der sterblichen Überreste eines 19 Fuß, 6 Inch großen Monsters nachempfunden, die im Jahr 1577 n. Chr. unter einer Eiche im Schweizer Kanton Luzern erfolgt sein soll. Noch unglaublichere 23 Fuß groß soll das Skelett (G) gewesen sein, auf das man nach alten Berichten 1456 n. Chr. an einem Fluss bei Valence in Frankreich stieß. Ebenfalls aus Frankreich soll auch (H) stammen.
Dieses monströse Skelett von 25 Fuß, 6 Inch soll 1613 n. Chr. in der Nähe der Burg Chaumont in Frankreich gefunden worden sein. Gänzlich unglaubwürdig erscheint der angebliche Fund (I) zweier 36 Fuß großer Specimen, die zwischen 600 und 200 v. Chr. von Karthagern entdeckt worden sein sollen.
(Beeindruckend, aber als Beweis für die vorgeschichtliche Existenz humanoider Giganten von 5 m – 6 m Körpergröße untauglich: Das Femur-Imitat des „Riesen aus dem Euphrat-Tal“ als Exponat bei einer Ausstellung.)
Wir finden hier offenbar eine bunte Mischung historischer und fiktionaler Giganten vor, die recht gut den verwirrenden Gesamteindruck widerspiegelt, mit dem man sich zu Beginn jeder gigantologischen Studie konfrontiert sieht. Manche solcher Meldungen (G, H, I) lassen sich zwar bereits aufgrund der völlig unglaubwürdigen Größen-Angaben leicht als Märchen oder schamlose Übertreibungen klassifizieren. In anderen oben angesprochenen Fällen ist es schon schwieriger, sie zu verifizieren oder falsifizieren. Dies gilt zum Beispiel für den angeblichen Fund des „Riesen aus dem Euphrat-Tal“ (B), der gerade im Internet immer wieder als „Beweis“ für die historische Existenz der Riesen herangezogen wird.
(Ein Größen-Vergleich diverser (vermutlich) „echter“ und (vermutlich) „falscher“ Riesen aus Mythologie und „archäologischen“ Berichten. (Graphik: nach Steve Quale))
Dabei sind es vor allem Anhänger monotheistischer Religionen (z.B. Christen und Muslime), die dieses Phantom aus der Türkei bemühen, um die Authentizität der Schöpfungsberichte ihrer „heiligen Bücher“ zu demonstrieren. Die biblische Schöpfungsgeschichte beweisen möchte man z.B. bei genesis–park.com. Dort stellt man uns folgenden Kurzbericht vor: „In den späten 1950ern, würden bei Straßenbau-Arbeiten im Euphrat-Tal in der süd-östlichen Türkei viele Gräber entdeckt, welche Überreste von Riesen enthielten. Die Vermessung der Bein-Knochen an den Fundstätten ergab [eine Länge von] 120 cm (47.24 Inches).
Joe Taylor, Direktor des Mt. Blanco Fossil Museums, war beauftragt [sic!; von w e m ?], den menschlichen Femur nachzuformen. Dieser Gigant war etwa 14-16 Fuß groß. Genesis 6:4 sagt: „Es gab in jenen Tagen Riesen auf Erden“; Das Deuteronomium 3:11 erklärt, dass das Bett von Og, Köng von Bashan, 9 Cubits mal 4 Cubits maß (annähernd 14 Fuß Länge mal 6 Fuß Breite). In seinem Buch Fossils Facts & Fantasies, zitiert Joe Taylor diverse Berichte von gigantischen menschlichen oder Abbildungen, die in Ägypten, Italien, Patagonien, in Argentinien und im Westen der USA entdeckt wurden…„
Auf der Suche nach weiteren Quellen oder Belegen im Zusammenhang mit dieser Geschichte stoßen wir schnell auf Angaben, die bei Pharyngula im Internet dokumentiert werden – und die Plausibiltät der bisher kennen gelernten Aussagen völlig unterminieren. Vor allem J. Taylor selber, der in seiner Funktion als Museumsdirektor als Zeuge benannt wird, war (unfreiwillig?) dabei behilflich, die Angelegenheit ‚vom Kopf auf die Füße‘ zu stellen. Er schrieb nämlich folgendes darüber: „Mr. Jack Wagner sandte mir 1996 den folgenden Artikel und bat mich, einen menschlichen Femur von der Größe desjenigen zu modellieren, der in der Fundstätte in der Türkei entdeckt wurde. Als Richtschnur für dieses Modell verwendete ich den Femur von einem der weiblichen Malachit-Menschen [sic!].“ Wie Taylor selber unumwunden feststellt, stammt alles „was wir über diesen Fund wissen aus [einem] Brief des Mannes, der ihn gemacht hat.“
Hier der Wortlaut dieses Briefes: „Liebe christliche Freunde, ich wurde im Mittleren Osten geboren und lebte dort von 1938 bis 1968. Ich war Ingenieur bei den Ain-Tell und Euphrat-Wasserwerken, sehr an Archäologie und Geschichte interessiert und habe einige sehr interessante Funde gemacht, von denen einige unglaublich klingen mögen. Ich habe ein paar Silex-Pfeilspitzen, etc., von exakt jenem Schlachtfeld mitgebracht, wo König Nebukadnedzars und Pharao Nechos Armeen miteinander kämpften. Und was ist mit den Riesen, die in der Genesis erwähnt werden? In der südöstlichen Türkei im Euphrat-Tal und in Homs und bei Uran-Zohra existierten einst Gräber von etwa vier Meter langen [Riesen], aber jetzt haben Straßen[-bau] und andere Konstruktions-Arbeiten die Stellen zerstört.
An zwei Orten ergaben Messungen von Bein-Knochen bei ihrer Ausgrabung anlässlich der Bauangaben eine Länge von 120 cm (47.24 Inches). Es klingt unglaublich. 14 Jahre lang habe ich mit meiner Familie bei Ain-Tell an exakt der Stelle gelebt, wo König Nebukadnezar nach der Schlacht von Charcamish sein Hauptquartier hatte, und wo ich die Gräber königlicher Offiziere und ihre schwammartigen Skelette ausgrub, die wenn man sie berührt, zu etwas wie weiße Asche werden, und beiliegende Speere und Silex- sowie Obsidian-Werkzeuge und Munition.“
Tatsächlich handelt es sich also bei diesem „Riesen-Femur“, der seither auf Ausstellungen gezeigt wird, durch´s Internet geistert und von Taylor angeblich zum Stückpreis von $ 450.- vertrieben wird, natürlich nicht um ein originales Fundobjekt – das offenbar außer Mr. Wagner, dem angeblichen Finder, niemand zu Gesicht bekommen hat – sondern um eine, willkürlich NACH EINEM ANDEREN VORBILD gefertigte, Kopie, deren Beweiskraft selbstredend gegen Null tendiert. Das hindert religiöse Fundamentalisten offenbar nicht daran, die vorgebliche Authentizität dieser und ähnlicher Stories ‚mit Zähnen und Klauen‘ zu verteidigen, wie das folgende Zitat zeigt, das bei Pharyngula reflektiert wird: „Ich weiß, dass einige dieser Meldungen etwas weit hergeholt scheinen, aber sie sind in der Tat wahr. Die Medien verbergen das Übernatürliche oder Geheimnisvolle generell vor unseren Augen.
Denkt daran, dass die Feinde des Herrn selbiges bezüglich der Realitäten behaupten, die in der Bibel beschrieben werden. Die Tatsache, dass etwas seltsam klingt, bedeutet nicht im mindesten, dass es irreal ist. Schließlich befinden wir uns in der Endzeit und die Dinge werden sogar noch seltsamer und viel desaströser werden, bevor der Herr erscheint, um allem ein Ende zu machen und eine neue, perfekte und schöne Welt zu schaffen. Was für ein wundervoller Tag das sein wird! Ich bete darum, dass Ihr alle vermögt, in diesen Nachrichten [über Riesen] die wirkliche Erfüllung vieler Prophezeiungen zu erkennen, welche viele Generationen von Christen zu erleben […] erstrebt haben…“
Welchen Schaden angebliche Riesen-Funde und Fälschungen im Bereich wissenschaftlicher Forschung allgemein, und insbesondere für die Gigantologie, angerichtet haben, zeigt anschaulich das Beispiel des ‚Giganten von Cardiff‘, oder auch ‚Gips-Riesen‘ , der in den späten 1860er Jahren in den USA einen ungeheuren Wissenschafts-Skandal auslöste. Hier war es allerdings – vice versa – ein „Rationalist“ und Kritiker bibelfester Riesen-Freunde, der für einen echten Skandal sorgte. C. W. Ceram (Kurt W. Marek) schilderte diese „wahre, moralische und ergötzliche“ Begebenheit 1971 in seinem Werk „DER ERSTE AMERIKANER“:
(Der so genannte „Amerikanische Goliath“ aus Cardiff, Iowa, löste einen der größten Wissenschafts-Skandale des 19. Jahrhunderts aus.)
„Die Geschichte beginnt im Jahr 1866 merkwürdigerweise als theologischer Streit zwischen einem Tabakpflanzer und einem Pfarrer in einem kleinen Städtchen in Iowa. Der Pfarrer Turk behauptete steif und fest, daß es in alten Zeiten Riesen gegeben habe – denn es stünde in der Bibel (Riesen werden tatsächlich viermal erwähnt), und was dort stünde, sei buchstäblich wahr. Diese Behauptung, ebenso wie die Begründung, hielt der Pfarrer und Zigarettenfabrikant George Hull für baren Unsinn. Mann könnte die beiden in heutiger Terminologie einen Fundamentalisten und einen Agnostiker nennen – Begriffe, die ihnen fremd waren; Hulls Ansicht wurde erst 1870 von T.H. Huxley als >Agnostizismus< gekennzeichnet, und der Fundamentalismus wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg in den USA wieder bedeutenden Anhang. Wie dem auch sei, den Agnostiker Hull packte derart die Wut über den >unverbesserlichen< Pfarrer, daß er etwas ganz Unglaubliches beschloß: Wenn der Reverend auf Riesen bestand, so sollte er einen haben!
(Hull´s „Gipsriese“ wird im FARMER´S MUSEUM in Cooperstown, New York, in einer humorigen Zeremonie „zur letzten Ruhe“ gebettet)
Hull ließ sich Zeit. Erst seit dem Juni 1868 wurden er und ein Freund in den Gipsbrüchen bei Fort Dodge in Iowa gesehen, wo sie einen gigantischen Block herausschlugen und unter größten Vorsichts- und Sicherheitsmaßnahmen wegtransportieren. Um diesen monströsen Gipsblock von fünf Tonnen Gewicht zu transportieren (unterwegs gab er ihn abwechselnd als ein Lincoln-Denkmal aus oder als Probestück des >besten Bausteins der Welt< für eine Washingtoner Ausstellung), nahm Hull schwerste Strapazen auf sich: Allein auf den vierzig schlechten Wegmeilen zur nächsten Eisenbahnstation zerbrach der Gipskoloss mehrere Wagen, und eine Brücke brach unter ihm zusammen. Auf der Eisenbahn gab es weitere Schwierigkeiten, doch Hull brachte den Block in heilem Zustand nach Chicago, wo der Steinmetz Edward Burckhardt unverzüglich an die Bearbeitung ging. Das Resultat war ein liegender Riese von 3,17 Meter Länge, der immer noch nicht weniger als 2719 Pfund wog.
Hull >behandelte< ihn. Mit einem Spezialhammer, der mit Nägeln bespickt war, hämmerte er dem Riesenleib >Poren< ein, dann wusch er ihn in Säuren, um ihm ein >ehrwürdiges Alter< zu verleihen, und dann transportierte er ihn in eisenbeschlagener Kiste per Bahn und per Wagen, via Detroit und Syracuse bis in das Städtchen Cardiff, südlich von Syracuse im Staat New York, auf die Farm seines Verwandten William C. Newell, der sein Komplice war. Dort wurde der Gigant begraben. Diese ganze Geschichte, eingeleitet durch den streitbaren Pfarrer Turk, hatte Hull bis zu diesem Zeitpunkt 2200 Dollar gekostet! […]
Am Morgen des 16. Oktober 1869, ein Jahr nach der >Beerdigung<, befahl Mr. Newell zweien seiner Arbeiter beiläufig, ihm hinter der Scheune einen Brunnen zu graben. In einem Meter Tiefe stießen die Arbeiter auf einen menschlichen Fuß und rannten voller Schrecken ins Haus. In wenigen Stunden wußte die Nachbarschaft von dem Fund, in wenigen Tagen strömten Tausende (tatsächlich: Tausende) herbei, um den Giganten zu sehen, der sich nun, wohl ausgegraben, in all seiner Größe und blassen Schönheit offenbarte.„
Natürlich wurde der Fund heiß diskutiert – und die Meinungen dazu waren durchaus geteilt. „Doch dominierte„, wie Ceram weiter notiert, „anfangs die etwas vage Ansicht eines angesehenen Geschäftsmannes: >Das hat kein Sterblicher geschaffen, sondern dies ist das wahrhaftige Abbild und Kind Gottes, wie es einst auf Erden wandelte.< Ein anderer indessen erklärte es als vergessenes Denkmal von George Washington, ein Dritter als Standbild, das die ersten eingewanderten Jesuiten errichtet hätten, um die Indianer zu schrecken. Doch die Stimmen mehrten sich, die behaupteten, es handle sich zweifellos um die Jahrtausende alte Versteinerung eines riesigen Urmenschen – was Hull ja bezweckt hatte.
Der Gelehrtenstreit brach aus, als James Hall, der geachtete Direktor des New York State Museums, erklärte: >… das bemerkenswerteste Objekt, das bisher in diesem Land zutage gefördert wurde<, womit er nicht Unrecht hatte. Doch zwei Yale-Professoren erklärten kategorisch: >Humbug!< Für die Zeitungen war das Für und Wider eine Sensation. Und für Hull und Newell buchstäblich über Nacht ein Geschäft; sie nahmen Eintritt für die Besichtigung des >Amerikanischen Goliath<, Buden entstanden um die Farm, und von Syracuse mußte ein Extra-Pferdeomnibus-Dienst zum Transport der Neugierigen eingerichtet werden. Nach wenigen Wochen wurden zwei neue Restaurants eröffnet, >The Giant Saloon< und >The Goliath House<, wo nicht weniger als drei verschiedene >e i n z i g authentische und zuverlässige< Beschreibungen des Riesen verkauft wurden.
Um die lange Geschichte kurz zu machen: Man kann nicht sagen, daß sich die junge amerikanische Forschung an dem Giganten nur blamiert hätte. Zu scharf war von Beginn an Kritik geübt worden, und nach relativ kurzer Zeit bestand unter ernsthaften Männern kein Zweifel mehr, daß der Gigant ein gigantischer Humbug war. Erstaunlich ist nur folgendes: Als Hull unter Druck der Kritik die Katze aus dem Sack lassen mußte und die ganze Vorgeschichte des Falles aufdeckte, da verstummten die Stimmen, die in dem Riesen partout einen versteinerten Urmenschen sehen wollten, keineswegs!
Kein geringerer als Oliver Wendell Holmes, der große Arzt und Essayist, bohrte dem Gipskörper ein Loch hinters Ohr und erklärte, er sei von wunderbarer anatomischer Beschaffenheit. Und der kritische Philosoph Ralph Waldo Emerson gab bekannt: >Über jedes Begreifen hinaus sehr wundervoll und unzweifelhaft alt.< Vielleicht hatten beide nichts von Hulls öffentlichem Bekenntnis gehört, ebenso wie der Yale-Student, der in einem 17-Seiten-Referat den Riesen zu einem uralten Abbild des phönizischen Gottes Baal erklärte und zwischen Ellbogen und Schulter sogar Hieroglyphen entdeckte, >die allerdings niemand außer ihm sah<.
Die Geschichte hat ein Ende, das aus einer Comedia dell´arte stammen könnte. Der große Phineas T. Barnum, der Zirkusgigant, offerierte für den Gipsgiganten 60 000 Dollar. Nach einigem Hin und Her gewann das Rennen ein anderer Schausteller, brachte den Riesen nach New York und stellte ihn am Broadway aus – nur, um nach wenigen Tagen zu entdecken, daß der fixe Barnum ein paar Häuserblocks weiter, im Wood´s Museum, die Stirn hatte, eine genaue Kopie des Riesen vorzuzeigen, eine Fälschung der Fälschung, mit der unverschämten Anpreisung: >Das Original aller Cardiff-Riesen<.
(Auch dieser, nach den strengen Sittlichkeits-Vorstellungen des 19. Jahrhunderts bekleidete (!), ‚Gigant‘ aus Irland hat sich niemals aus eigener Kraft bewegt: er war ebenfalls ein ‚Gips-Riese‘.)
Natürlich strengte der Besitzer der e r s t e n Fälschung einen Prozess an. Aber unter den Anwürfen des empörten Publikums, die sich nun gegen b e i d e Riesen richteten, wurde das New Yorker Pflaster zu heiß – und für den >echten< Giganten begann seine Reisezeit. Er wurde ausgestellt, bis das Interesse erlahmte, dann jahrzehntelang vergessen, noch einmal für einen Film >The Mighty Barnum< 1934 >ausgegraben< und fand schließlich seine wohlverdiente Ruhe in The Farmer´s Museum in Cooperstown im Staat New York.“
Angesichts dieses – im wahrsten Sinne des Wortes – ‚Riesen-Reinfalls‘ kann man verstehen, dass die bloße Erwähnung von Giganten-Funden in späteren Zeiten ausreichte, um Fachwissenschaftlern entweder Schweißperlen oder Tränen der Heiterkeit ins Gesicht zu zaubern! Von Stund´ an waren Riesen, zumindest an amerikanischen Universitäten, kein Thema mehr, dem sich ein „anständiger“ Forscher widmen konnte, ohne seine akademische Karriere auf´s Spiel zu setzen.
Aber auch ein europäischer ‚Kollege‘ des Gips-Riesen von Cardiff machte damals Schlagzeilen und sorgte für einige Verwirrung. Ein Photo dieses Exemplars erschien im Dezember 1895 im britischen Magazin Strand, und W. G. Wood-Martin berichtet in seinem Buch „Traces of the Elder Faiths of Ireland“ über die angebliche Fund-Geschichte des Giganten bei Bergbau-Aktivitäten im irischen Landkreis Antrim, wozu er – vermutlich aus dem Strand – zitiert: „Herausragend unter den seltsamsten Gegenständen, die je im Besitz einer Eisenbahn-Gesellschaft waren, ist der versteinerte irische Riese, der im Moment im Warenlager der North-Western Railway Company auf der Broad Street in London liegt, und von dem eine Photographie hier reproduziert ist… Diese monströse Figur soll von einem Mr. Dyer ausgegraben worden sein, während er im Antrim County nach Eisen suchte.
Die Haupt-Messergebnisse sind: Gesamt-Länge, 12 Fuß 2 In.; Brustumfang, 6 Fuß 6 In.; und Länge der Arme, 4 Fuß 6 In. An seinem rechten Fuß befinden sich sechs Zehen.
Das Gesamt-Gewicht beträgt 2 Tonnen u. 15 cwt.; und so wurden ein halbes Dutzend Männer und ein kraftvoller Kran benötigt, um [ihn] für den Künstler des Strand-Magazins in Position zu bringen.“
Offensichtlich übernahm der Finder dieses schwergewichtige Objekt später von der Company, um wie Hull in Amerika als Schausteller Kapital aus dem damaligen Massen-Interesse an „echten“ Riesen der Vorzeit zu schlagen: „Dyer kam, nachdem er den Giganten in Dublin gezeigt hatte, mit seinem sonderbaren Fund nach England und stellte ihn in Liverpool und Manchester für [einen Eintritt von] sechs Pence pro Kopf aus, wo er Männer der Wissenschaft ebenso wie gaffende Bummler anzog. Das Geschäft wuchs und der Schausteller veranlasste einen Mann namens Kershaw, Anteile an dem Unternehmen zu erwerben. 1876 schickte Dyer diesen Giganten mit der Eisenbahn von Manchester nach London; Die Summe von £4 und 2 Shilling 6 Pence wurde von der Company in Rechnung gestellt, aber nie bezahlt.
Offenbar wußte Kershaw nichts von dieser Verlegung der ‚Show‘, da er, als er das herausfand, in großer Hast hinterher reiste, und, nach einer Londoner Anwalts-Kanzlei, das Gericht [orig: „Court of Chancer“; d. Ü.] anrief, damit dieses eine Order herausgeben solle, welche die Company daran hindern sollte, den Giganten herauszugeben, bis die Besitz-Verhältnisse zwischen Dyer und ihm geklärt seien. Diese Klage führte jedoch zu keinem Ergebnis. Unglücklicherweise ist (so weit der Autor [Wood-Martin] weiß), nichts mehr von dem Antrim-Giganten oder seinen Besitzern zu hören gewesen.“
Tatsächlich präsentierte die amerikanische Zeitschrift Saint Paul Globe bereits am 8. Oktober 1903 ein einen längeren Artikel mit dem Titel „IRISH GIANT A FAKE – Carved Out of Stone for Exhibition Purposes“, in dem der Schwindel um diesen ‚Scheinriesen‘ gründlich aufgedeckt wurde.
Auch im 20. Jahrhundert sorgten angebliche Funde riesenhafter Skelette oder Knochenreste – vor allem in den USA – immer wieder für Schlagzeilen. Abschließend wollen wir hier noch eine dieser „Entdeckungen“ besprechen, die ebenfalls einer besonders kritischen Betrachtung bedarf. Im Februar des Jahres 2002 wies das Magazin Atlantis Rising aus den USA in einem Beitrag auf eine online-Veröffentlichung hin. Dort hieß es: „Die Internet-Seite von […] Jeff Rense (http://www.rense.coin/general15/hiss.htm) hat einen mysteriösen, unerklärten, aber äußerst provokativen Auszug aus der Ausgabe der ‚San Diego Union‘ vom 5. August 1947 ausgegraben. Der Notiz zufolge, hatten Forscher, nahe der Arizona-Nevada-California [Grenz-]Linie, die mumifizierten Überreste von seltsam kostümierten Riesen freigelegt, welchen die Entdecker ein Alter von etwa 80 000 Jahren zuschrieben.
(Der Original-Artikel aus dem San Diego Union vom 5. August 1947)
Die ‚Union‘ berichtete, dass Howard E. Hill aus Los Angeles das Werk von Dr. F. Bruce Russell vorstellte, einem pensionierten Arzt aus Cincinnati, der bereits 1931 den ersten von mehreren Tunneln in der Nähe des Death Valley ausgemacht hatte, aber bis 1947 nicht in der Lage gewesen war, wieder in diese Gegend zu kommen. Mit der Hilfe von Dr. Daniel S. Bovee, der mit Hill’s Vater einst dazu beitrug, New Mexicos Kliff-Siedlungen zugänglich zu machen, hatte Russell die Überreste von mehreren Männern von 8 bis 9 Fuß Höhe entdeckt. >Diese Giganten<, sagte Hill, >sind in Kleider gehüllt, die aus einer mittellangen Jacke und Hosen bestanden, die knapp bis unter die Knie reichten. Über die Textur des Materials hieß es, sie ähnele grau gefärbtem Schafsleder, aber vermutlich stammte es von einem Tier, das heute unbekannt ist.
Hill sagte außerdem, der ‚Union‘ zufolge, dass in einer anderen Kaverne die Ritual-Halle der altertümlichen Menschen entdeckt wurde, zusammen mit Gerätschaften und Markierungen, ähnlich denen, die heute vom Freimaurer-Orden verwendet werden. In einem langen Tunnel waren wohlerhaltene Überreste von Tieren entdeckt worden, darunter Elefanten und Tiger. Bislang, fügte Hill hinzu, sei keine Frau gefunden worden. Er sagte, die Forscher seien der Meinung, das, was sie gefunden hätten, sei die Beerdigungs-Stätte der Stammes-Hierarchie gewesen„.
Aus alternativ-historischem Blickwinkel erscheint der Text zunächst relativ unverfänglich. Er weist bis hierher lediglich einen Punkt auf, der uns stutzig machen sollte: Die skurrile Erwähnung der Freimaurer-Symbole bei unseren 80 000 Jahre alten Riesen aus Colorado! Schön und gut, setzten wir hier – zumindest für den Moment – einfach voraus, dass Dr. Russel oder Dr. Bovee sich tatsächlich in einer Höhle durch irgendetwas an die Freimaurer erinnert fühlten, und kommen wir schnell zum nächsten Satz, der es allerdings in sich hat: „Die Hieroglyphen, ergänzte er, bergen eine Ähnlichkeit mit dem, was über den verschwundenen Kontinent von Atlantis bekannt ist. Sie sind […] in sorgfältig polierten Granit gemeißelt.“
„Si tacuisses, Mr. Hill, gigantologus mansisses„, möchte man als Atlantisforscher ausrufen, denn selbst für nicht besonders fachkundige Atlantologen wird mit diesem einen Satz deutlich, dass an der Geschichte dieses Riesen-Fundes irgend etwas nicht stimmen kann. Zunächst ist es abstrus, dass Hill und/oder Bovee eine neu entdeckte Schrift aus unbekannten Glyphen so schnell entziffert haben könnten – aber das nur am Rande. Zu behaupten, sie wiesen „eine Ähnlichkeit mit dem“ auf, was „über den verschwundenen Kontinent von Atlantis bekannt“ sei, ist schlichtweg dummdreist. Schließlich ist der Forschung kein einziges konkretes Detail über Atlantis, über seine Geographie seine historische Zeitlinie sowie über Kultur und Geschichte AUS ERSTER HAND bekannt.
Alles was wir über „Atlantis“ (zumindest unter dieser Bezeichnung) wissen, stammt bekanntlich aus der Feder des hellenischen Philosophen und Staatskundlers Platon, der in seinem Atlantisbericht (in den Dialogen Timaios und Kritias) Material aus Ägypten und alte Überlieferungen der Griechen bearbeitete und zusammenfasste. Jeder rechtschaffene Atlantologe wird also grundsätzlich feststellen, dass er zwar viel über Platons Bericht, dessen Inhalt und Hintergründe WEISS, über den historischen Charakter von Atlantis selber aber nur eine mehr oder weniger fundierte MEINUNG äußern kann. Außerdem hätte JEDER ernstzunehmende Atlantisforscher, wohl wissend, dass eine derartige Behauptung – unbelegt – sofort einen Sturm des Gelächters in der „Welt der Wissenschaft“ provozieren musste, wenigstens ein paar nähere Details genannt, um die Übereinstimmung zwischen der Atlantida und dem Inhalt eines solchen Petroglyphen-Texts substantiell zu untermauern.
Wenn wir also zur Kenntnis nehmen, dass die historische Existenz von Atlantis bisher nicht durch harte Evidenzen zweifelsfrei bewiesen, sondern lediglich mit empirischen Methoden und über Indizien belegt werden konnte, ist es schlichtweg leeres Geschwätz und Phrasen-Drescherei, was uns Hill hier mit seiner Bemerkung über angebliche Zusammenhänge dieses angeblichen Fundes mit Atlantis weismachen will! Aber könnte es nicht sein, dass hier eine verfälschende Berichterstattung erfolgt ist? Konnten der Journalist des LA UNION oder spätere Chronisten und Kommentatoren ihn nicht bewusst falsch zitiert haben, um der ganzen Story einen noch sensationelleren Anschein zu verleihen?
Glücklicherweise liefert Atlantis Rising den Original-Artikel aus dem UNION gleich mit – und wir stellen bei der Lektüre fest, dass er auf einer Presse-Meldung der Agentur Associated Press (AP) beruht, die sich von einer Yellow-Press-Postille sicherlich keinen Fake auf ihre Kosten hätte bieten lassen. Und auch die viel gescholtenen Alternativ-Historiker der atlantologischen Fach-Zeitschrift Atlantis Rising haben hier nichts dazu erfunden oder ‚verbogen‘. Dagegen wird der Sachverhalt bei genauerem Hinsehen und anhand eines Textvergleichs mit der Original-Quelle noch dubioser:
Da ist vor allem die Datierung der Skelette auf ein Alter von 80 000 Jahren – die angeblich zwei Tage nach ihrem Abtransport aus dem Höhlensystem erfolgt sein soll. Wie, bittesehr, soll dies möglich gewesen sein? Eine geologische Datierung war in diesem Fall eindeutig nicht möglich. Die C-14 Methode jedoch (damals eine NOCH UNSICHERERE Angelegenheit als heutzutage) zur Altersbestimmung organischen Materials wurde erst 1947 von W.F. Libby entwickelt bzw. präsentiert also im selben Jahr, in dem der vorgebliche Höhlen-Fund erfolgt sein soll. Es ist kaum anzunehmen, dass Russel/Bovee/Hill von Libby oder irgendjemand anderem damals INNERHALB VON ACHTUNDVIERZIG STUNDEN irgendein C-14-Ergebnis hätten erhalten können!
Und – natürlich – finden sich auch NIRGENDWO irgendwelche späteren Berichte, Protokolle oder Arbeiten betreffend weiterer Untersuchungen („Dr. Pettit“), die im UNION vollmundig angekündigt wurden. Alles in allem dürfte damit klar sein, dass wir die „Russel-Funde“ von 1947 guten Gewissens von der Liste ernst zu nehmender Berichte über Riesen-Funde streichen können. Bemerkenswert an dieser Story ist allenfalls die Dreistigkeit, mit der sie in die Welt gesetzt wurde und die bedauerliche Tatsache, dass sie auch heute noch in alternativ-historischen Kreisen von manchen Leuten ernst genommen und als „Beleg“ für die historische Existenz von Riesen herangezogen wird.
Quellen: atlantisforschung.de