Es sind nur 87 Zeilen, die mit Tinte auf einer knapp einen Meter großen rätselhaften Kalksteintafel geschrieben wurden, doch könnten diese Zeilen das gesamte Christentum erschüttern. Vieles spricht dafür, dass Jesu Christi Tod nicht der einzige Messias war, der sein Blut vergießen musste und nach drei Tagen wieder auferstand.
Gibt es tatsächlich einen zweiten, bis heute vergessenen Messias? Der israelische Bibelforscher Israel Knohl geht von dieser Vermutung aus und stützt seine These auf nur ein einziges, unleserliches Wort.
Die Tafel tauchte Anfang 2000 bei einem jordanischen Antiquitätenhändler auf, der sie wieder an den Schweizer Sammler David Jesselson verkauft hat – seither sorgt sie für rege Diskussionen unter Bibelforschern. Wissenschaftler tauften den prophetischen Text der Tafel schließlich als Vision Gabriels. Wesentliche Teile drehen sich um die Vision der Apokalypse, übermittelt durch Erzengel Gabriel.
Die Schrift ist für Wissenschaftler nicht nur schwer zu entziffern, sondern auch schwer zu interpretieren. Man vermutet, dass die Steintafel für lange Zeit im Toten Meer nahe Jordanien lag und auch dort aufgefunden wurde.
Ada Yardeni, eine israelische Spezialistin für hebräische Schriften, und ihr Kollege Binyamin Elitzur datieren die Tafel anhand des Schreibstils und der Sprache auf das erste Jahrhundert vor Christus. Ein Fachartikel, den die Wissenschaftler im hebräischen Magazin Cathedra veröffentlichten, weckte auch die Aufmerksamkeit des Bibelforscher Israel Knohl von der Hebrew University in Jerusalem.
Knohl will schon bald ein bislang unleserliches Wort in der Inschrift entdeckt und auch entschlüsselt haben, was dem Textinhalt eine völlig neue Bedeutung geben könnte. In der 80. Zeile steht ein Satz mit den Worten shloshat yamin, was aus dem hebräischen übersetzt heißt: drei Tage.
Das darauffolgende Wort konnte von Yardeni und Elitzur nicht entziffert werden. Knohl aber glaubt, dass es sich um das Wort Hayia handelt, was er mit dem Imperativ von Hai ableitet, das aus dem hebräischen übersetzt heißt: leben. Lautet der Satz übersetzt möglicherweise: Nach drei Tagen lebe?
In drei Tagen lebe, Ich, Gabriel, befehle es Dir, dem Fürst der Fürsten. Diese Satz steht im Buch Daniel (8,24-25), wo er den Herrscher des Volkes der heiligen bezeichnet, der vom Herrscher frechen Angesichts und böser Ränke getötet wird. Knohl sieht diesen Titel als Anspielung auf den historischen Gegenkönig Simon und den römischen Kaiser Augustus.
Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichtet, dass Simon von Peräa, der sich 4. v. Chr. zum König von Judäa ernannte, in einem Felskamin vom römischen Befehlshaber Gratus geköpft wurde.
Vergossenes Blut ist der Anfang neuen Lebens
Israel Knohl glaubt in der Inschrift der Steintafel erkannt zu haben, dass Jesu Christi nicht der erste war, der auferstanden ist. Knohl sieht in der Gabriel Offenbarung diesen Satz als Anspielung auf Gegenkönig Simon von Perea und den römischen Kaiser Augustus. Simon von Perea war ein ehemaliger Sklave von Herodes, der rebellierte. War er möglicherweise der zweite und noch vor Jesu Christi erschienene und bis heute vergessene Messias?
2001 veröffentlichte Israel Knohl sein Buch Der vergessene Messias. Der Bibelforscher schreibt, dass es schon in den Generationen vor Jesus von Nazaret Mythen um einen Messias gegeben habe, der sein Blut vergießen musste, um nach drei Tagen wieder aufzuerstehen. Knohl glaubt nun, in Zeile 80 der Steintafel den ersten handfesten Beweis für die Theorie entdeckt zu haben.
Knohl bezieht sich zum einen auf Messias Sohn Davids, also Jesus Christus, und zum anderen auf Messias Sohn des Josef, der nach Meinung des Bibelforschers Simon von Peräa war.
Knohls Forschungen nach habe sich Simon im Jahr 4 v. Chr., nach dem Tod von Herodes dem Großen (73 v. Chr. – 4 v. Chr. ) zum König und Messias ausgerufen, jedoch wurde er schon kurz darauf vom römischen Befehlshaber Gratus getötet. Simons Anhänger behaupteten daraufhin, dass Simon nach drei Tagen auferstanden sei.
Um diese Theorie zu untermauern, zieht Knohl noch weitere Passagen der Gabriel Offenbarung hinzu, die unter anderem auch vom Blut der Getöteten handelt, genauer gesagt die Stelle: Künde ihm vom Blut. Es ist der Himmelswagen. Knohl glaubt, dass es sich hier um das Blut der Getöteten handelt und dass die Toten nach dem Vorbild des Propheten Elias zum Himmel auffahren. In diesem Fall steht Blutvergießen nicht zum Anlass der Trauer, sondern zum Anfang und zum Ursprung neuen Lebens.
Israel Knohl spricht von einem historischen Text, der ein völlig anderes Licht auf das Bild Jesu Christi wirft und der gleichzeitig eine Verbindung zwischen Judentum und Christentum zeichnet. Knohl sagte gegenüber der New York Times, dass er glaube, dass es Jesus Mission war, von den Römern getötet zu werden, damit sein Blut zum Zeichen der Erlösung werden konnte. Israel Knohl weiter:
Dies gibt dem letzten Abendmahl eine völlig neue Bedeutung. Sein Blut wurde vergossen – nicht für die Sünden der Menschen, sondern für die Erlösung Israels.“
In diesem Zusammenhang spricht die New York Times von einer möglichen Revolution der bisherigen religiösen Sichtweise. Das heißt, sollte sich die Steintafel am Ende nicht als Fälschung erweisen, wäre sie in der Tat ein Hinweis darauf, dass die Geschichte der Auferstehung Jesu Christi nach drei Tagen in keiner Weise einzigartig war, sondern dass sie bereits Teil der jüdischen Überlieferung war.
Auch Moshe Bar-Asher, ein emeritierter Professor für Hebräisch und Aramäisch an der Hebrew University hält den Text für authentisch und datiert ihn ebenfalls auf das erste Jahrhundert vor Christus, jedoch ist er hinsichtlich der Interpretation der Schrift vorsichtig , weil er glaubt, in entscheidenden Passagen des Textes Lücken erkennt zu haben.
Bar-Ashers Worten nach fehlen in vier wichtigen Zeilen eine Menge Wörter über die sich streiten lässt. Eine wichtige Tatsache ist aber für Bibelforscher weltweit von großem Interesse. Erzengel Gabriel wird sowohl in der hebräischen Bibel als auch in der christlichen Bibel erwähnt.
Viele Wissenschaftler lehnen die Theorie von Israel Knohl bis heute ab. Doch Knohl ist weiter davon überzeugt, dass die Steintafel ein völlig anderes Licht auf das Wirken Jesu Christi wirft. Wörtlich sagt er:
„Jesus verliert etwas von seiner Einzigartigkeit, gewinnt aber dafür an geschichtlicher Präsenz und wohl auch an jüdisch nationaler Identität.“
Über Jesus wurden in der Vergangenheit viele unterschiedliche Theorien aufgestellt, bis heute ist er aber ein Mysterium geblieben, so wie die gesamte Bibel, die nach Auffassung einiger Wissenschaftler ebenfalls noch zahlreiche unverstandene und möglicherweise auch fehlinterpretierte Passagen enthält.
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