Magellan und die Entdeckung der patagonischen Riesen

Patagonien? Reto Huber liefert uns im Internet eine prägnante Kurz- Beschreibung, die unsere mehr oder weniger verschütteten Erinnerungen an den Erdkunde-Unterricht im Schnelldurchgang auffrischt: „Patagonien ist eine Region im südlichen Teil Argentiniens. Es liegt zwischen dem 42. und 50. Grad südlicher Breite, und hat eine Fläche von ca. 765’000 Quadratkilometern, was etwa dem 18 fachen der Fläche der Schweiz entspricht. Patagonien umfasst die vier Provinzen Neuquén, Rio Négro, Chubut und Santa Cruz.

Mit einer Einwohnerzahl von gut einer Million Menschen, ist es ausserordentlich dünn besiedelt. Es leben weniger als 3 Einwohner auf einem Quadratkilometer.

Die Gegend lässt sich grob in drei parallel zueinander laufende landschaftliche Formationen gliedern. Im Osten, die buchtenreiche Küstenlinie des Atlantischen Ozeans, in der Mitte eine grosse Ebene, und im Westen die Anden. Die patagonischen Anden oder auch Südanden genannt, sind niedriger als die Zentralanden. Sie sind mit feuchten Wäldern bestehend aus Zypressen, Föhren und Südbuchen bedeckt. Dazwischen glänzen Seen und Gletscher. Der Winter dauert in dieser Gegend von Juni bis September.“

Trotz all seiner Naturschönheiten ist Patagonien, seinem rauen Klima geschuldet, offenbar nie die Geburts-Stätte einer Hochkultur gewesen. Auch die großen, präkolumbischen Zivilisationen Südamerikas haben sich für den äußersten Süden ihres Teilkontinents nicht sonderlich interessiert. Das ‚wilde Patagonien‘ scheint vielmehr – ebenso wie das, noch weiter südlich gelegene, ‚Feuerland‘  – stets ein Rückzugsraum für „Natur-Völker“ gewesen zu sein, die eher unfreiwillig in diese Region kamen, um dem Druck stärker bewaffneter, zahlreicherer oder besser organisierter Nachbarn zu entgehen.

Für diejenigen, die sich an das – im Widerspruch zu zahlreichen Evidenzen stehende – vorherrschende Modell zur Besiedlung Amerikas, via Sibirien, halten, muss der äußerste Süden des Doppelkontinents den zwangsläufigen Endpunkt (oder den ultimativen Wendepunkt) jeder alt-amerikanischen Migration darstellen. Diffusionisten hingegen können Patagonien nicht nur als End-, sondern auch als möglichen Anfangspunkt von Wanderungen begreifen. So sind sie in der Lage, Überlegungen anzustellen und zu überprüfen, ob Patagonien möglicherweise einst eine Art interkontinentales Sprungbrett war, z.B. für leicht zu bewältigende Reisen von und nach Südafrika. Unter Einbeziehung solcher Szenarien können sich natürlich weitaus komplexere Modelle zu den frühesten Migrationen in Patagonien ergeben.

Allgemein werden jedoch nur zwei „Einwanderungs-Wellen“ nach Patagonien wahrgenommen: die neuzeitliche der Europäer und die „steinzeitliche“ der angeblichen Beringstraßen-Migranten. Ein Beispiel dafür finden wir in dem Online-Artikel ‚Paradies Patagonien‘, Teil vier, wo es heißt: „Die Bewohner Patagoniens kamen von überall her, entweder vor kurzem, vor Jahren, Jahrzehnten oder vor Generationen. Die Ureinwohner kamen über die Beringstraße aus Asien und trödelten entsprechend herum bis sie endlich so weit südlich ankamen. Manche dieser Stämme waren ungewöhnlich gross und athletisch, besonders die Tehuelche, also nannten die Spanier sie nach damals in den entsprechenden Zirkeln populären Phantasie-Riesen >Patagones<.“

Trödelnde Steinzeitmenschen und Phantasie-Riesen? Dazu scheinen allerdings einige Anmerkungen notwendig. Zunächst einmal haben die frühesten Vorgänger der Tehuelche und anderer später Ur-Patagonier keineswegs „herum getrödelt“, sofern wir – um des Arguments willen – das schulwissenschaftliche Beringstraßen-Paradigma zugrunde legen (siehe dazu: Farewell, Clovis! – Vom langsamen Sterben eines Paradigma).

Die präkolumbische Besiedlung Patagoniens begann nämlich bereits vor mindestens 11 000 Jahren. Aus diesem Zeitraum stammen jedenfalls die ältesten archäologischen Spuren, die dort bisher entdeckt wurden. Selbst ein kurzer Blick in eine gute Touristik-Information über Patagonien reicht aus, um dies festzustellen. Bei topreiseinfos.com heißt es beispielsweise: „Relikte von etwa 9000 v.Chr. weisen auf eine lange Besiedlungszeit hin. Insbesondere steinerne Geschossspitzen und Knochenreste ausgestorbener Pferde und Faultierarten.“

Darüber hinaus verfügt der Autor von „Paradies Patagonien“, wie wir sehen werden, nicht gerade über fundierte Kenntnisse zu den ‚patagonischen Riesen‘. Richtig ist zumindest, wenn er feststellt, dass es sich bei den Bewohnern des Landes zumeist um stark bis außergewöhnlich hochwüchsige Menschen handelte. Bei der Herleitung des Namens ‚Patagonien‘ schlägt der Anonymus dann bereits Kapriolen, denn er kann sich offenbar nicht vorstellen, dass die patagonischen – und andere – Giganten mehr als Phantasie-Gestalten gewesen sein könnten. Anders gesagt: welcher ‚vernünftige Mensch‘ nimmt schon Geschichten über Riesen ernst?

Im 16. Jahrhundert, als Patagonien und seine Bewohner erstmals europäischen Namen erhielten, war dies aber unzweifelhaft noch ganz anders. Damals stand die Historizität vor- und nach-sintflutlicher Riesen noch außer Frage, denn schließlich berichtete ja die Bibel von ihnen. Meldungen über Entdeckungen menschlicher Giganten in neu entdeckten Erdteilen wurden daher nicht nur zum Gesprächs-Stoff in den Hafentavernen und an den Biertischen, sondern sie waren ganz selbstverständlich auch Gegenstand gelehrter Diskussionen und akademischer Dispute.

Daher ist es lediglich Ausdruck eines persönlichen Vorurteils, wenn unser Anonymus die ‚Taufe‘ Patagoniens auf eine mysteriöse Bezeichnung aus Europa für die, „in den entsprechenden Zirkeln populären […] Phantasie-Riesen“ zurückführt. Mit den Fakten lässt sich dies jedenfalls nicht in Einklang bringen. Die am weitesten verbreitete Interpretation des Namens ‚Patagonien‘ hat mit einem besonderen Merkmal der „riesigen“ Tehuelche zu tun. Nach Reto Huber „hatten diese Leute auch sehr grosse Füsse, was auf Spanisch >Æpatas grandes< heisst. Daher stammt der Name Patagonien.“

Während Huber allerdings mit großer Selbstverständlichkeit voraussetzt, dass diese, vermutlich volkstümliche, Überlieferung Tatsachen wiedergibt, formuliert ein ungenannter Autor bei Ooparts („Out of place artifacts“) vorsichtiger: „Man glaubt allgemein, dass der Name Patagonier augenscheinlich auf die außergewöhnlichen Fuß-Größe der Tehuelche anspielte.“

Nun klingt diese Deutung doch etwas ‚an den Haaren herbeigezogen‘ und nach Folklore, aber möglicherweise enthält sie ein Körnchen Wahrheit. Tatsächlich werden wir später erfahren, WER diese Bezeichnung damals aller Wahrscheinlichkeit nach aufgebracht hat, wie die ersten Berichte über die patagonischen Riesen zustande kamen und ob es sich bei ihnen tatsächlich um Phantasie-Produkte handelte! Aber dazu müssen wir uns zunächst etwas mit der Entdeckungsgeschichte Amerikas und den ersten Europäern beschäftigen, die im 16. Jahrhundert die Südspitze Südamerikas erreichten.

Ferdinand Magellan, die Entdeckung der patagonischen Riesen und ihr Name

Als Christoph Columbus im Auftrag König Ferdinands von Aragon und Königin Isabellas von Kastilien im Jahr 1492 vermeintlich die äußersten, östlichsten Ausläufer Indiens erreichte, war er in Wirklichkeit auf einen Doppel-Kontinent und vorgelagerte Inseln gestoßen, deren Existenz in Europa seit mehr als 2000 Jahren in Vergessenheit geraten waren, das spätere ‚Amerika‘ und die so genannten ‚Westindischen Inseln‘. Mit diesem Vor- stoß in eine ‚Neue Welt‘ sollte eigentlich eine West-Route für den profitträchtigen Handel mit dem – damals noch reichen – Indien erschlossen werden, da die direkte Verbindung über den Orient durch die „heidnischen Muselmanen“ blockiert wurde.

Der Genueser Kolumbus hatte sein Konzept für eine Expedition nach Westen 1483 zuerst König Johann II. von Portugal vorgelegt, erhielt jedoch einen abschlägigen Bescheid, da man dort schon seit langem an der Umsetzung eines anderen Plans werkelte: eine neue Ost-Route – um Afrika herum über den Pazifik in den Indischen Ozean hinein – nach „Cipangu“ (wie Japan damals in Europa genannt wurde) sollte erkundet werden. Kolumbus´ anschließenden Erfolge im Westen verschafften nun den katholischen Majestäten Spaniens eine vorteilhafte Ausgangsposition bei der Aneignung und Ausbeutung der neu entdeckten Gebiete; eine Entwicklung, die am portugiesischen Hof die ‚Alarm-Klingeln‘ schrillen lassen musste. Streitigkeiten zwischen Portugal und Spanien waren vorprogrammiert und tatsächlich kam es zu Spannungen, die allerdings im Jahr 1494 durch den Staatsvertrag von Tordessillas formell beigelegt wurden.

Mit diesem Vertrag hatten die beiden Großmächte praktisch den gesamten, von Europäern noch unerforschten, Globus auf dem Reißbrett zwischen sich aufgeteilt, ohne dass die Beteiligten genau wussten, was man sich da eigentlich mit dem käuflichen Segen der katholischen Kirche und etwas Siegellack „zugeeignet“ hatte. Historiker, die sich mit der europäischen Entdeckungs-Geschichte Brasiliens beschäftigen, gehen davon aus, „dass der König von Portugal schon bald nach Abschluß des Vertrages von Tordessillas Expeditionen in den westlichen Ozean vorausschickte, um die portugiesischen Besitzungen innerhalb der ihm zugefallenen Meereshälfte zu ermitteln. So berichtet Duarte Pacheco, daß er in königlichem Auftrag 1498 eine Fahrt nach Westen unternommen habe, aber seine Angaben sind zu ungenau, um daraus eine Ankunft in den Gegenden des heutigen Brasilien zu beweisen. Nach unseren bisherigen Erkenntnissen beginnt die portugiesische Geschichte in Amerika, als der Portugiese Pedro Álvarez Cabral am 22. April 1500 die brasilianische Küste sichtete und am 25. April in der Bucht von Porto Seguro“ vor Anker ging.

Die Ehre, mit seiner Mannschaft als erste europäische Crew die patagonischen Küsten am südlichen Ende Amerikas gesichtet und erkundet zu haben, gebührt ebenfalls einem Portugiesen – allerdings in spanischen Diensten: Fernão de Magalhães (im Englischen u. Deutschen Magellan genannt), der um 1480 zu Sabrosa / Tras os Montes geboren wurde. 1505 ging Magellan zunächst nach Indien, um sich an den kolonialistischen Eroberungs-Zügen der Portugiesen zu beteiligen. Dort tat er sich 1511 bei der bei der Eroberung von Malakka hervor, fiel dann aber beim Vizekönig in Ungnade, und kehrte in seine Heimat zurück. Später beteiligte er sich am Eroberungs-Krieg, den Portugal gegen Marokko vom Zaun gebrochen hatte, bis er 1514 schwer am Bein verwundet wurde. Wegen dieser Verletzung und aufgrund von Intrigen gegen ihn quittierte er den Militärdienst.

Im Brockhaus von 1908 lesen wir über diese schwere Zeit Magellans: „Trotz seiner Verdienste zurückgesetzt und verleumdet, zog sich M. zurück und beschäftigte sich mit Kosmographie und Nautik“. Nach und nach reifte in ihm die Idee einer Weltumsegelung heran, mit der er den großen Plan des Kolumbus vollenden, und eine Westroute zu den Gewürzinseln und nach Indien erkunden wollte. Nachdem man ihm in seiner Heimat so übel mitgespielt hatte, begab er sich 1517 mit seinem Landsmann R. Falero nach Spanien, um dort den Konkurrenten der portugiesischen Krone seine Dienste anzubieten.

Dazu heißt es im Brockhaus weiter: „Der kühne Plan beider, auf der span. Erdhälfte einen Weg nach den Molukken aufzufinden, wurde von Kaiser Karl dem V. wohl aufgenommen und namentlich von dem Leiter der ind. Angelegenheiten, dem Bischhof von Burgos, Fonseca, unterstützt. Am 20. Sept. 1519 segelte M. mit fünf Schiffen und 239 Mann von San Lucar ab und erreichte am 10. Januar 1520 die Mündung des La Plata.“

An den Küsten des späteren Patagonien angekommen, wo die Expedition vom 31. Mai bis zum 24. August überwinterte, musste de Magalhães eine Meuterei seiner Mannschaft niederschlagen. In Unkenntnis der vollständigen Schiffs-Tagebücher können wir hier nur darüber spekulieren, was einen Teil der Crew zum offenen Aufruhr getrieben hat: schlechte Behandlung oder unzumutbare Verpflegung? Angst vor dem Unbekannten? Aberglaube? Möglicherweise war es eine Mischung aus alledem, die zur Meuterei führte.

Den Auslöser dafür könnte letztlich die Begegnung der Matrosen mit den Bewohnern dieser entlegenen Küsten geliefert haben – und die konnten auch weniger abergläubische Menschen erschrecken, als es Seefahrer des 16. Jahrhunderts waren! In einem Auszug der Expeditions-Berichte, den wir bei Ooparts finden, schildert Antonio Pigafetta, der Chronist der Expedition, ihr erstes Zusammentreffen mit dem einheimischen Volksstamm der Tehuelche folgendermaßen: „Eines Tages, als niemand es erwartete, sahen wir am Meer einen völlig nackten Riesen. Er tanzte und sprang und verteilte singend Sand und Staub über seinen Kopf … Er war so groß, dass der größte von uns ihm gerade bis zur Taille reichte. Er war wirklich gut gebaut.“

Wir sollten festhalten, dass wir die Größe dieses Hünen auf annähernd DREI METER ansetzen müssen, wenn wir Pigafettas Beschreibung zugrunde legen; und dass ist schon ein Format, das über außergewöhnlichen Hochwuchs beim modernen Menschen hinausgeht. Einen derartigen Menschen als „Riesen“ zu bezeichnen, dürfte wohl mehr als naheliegend sein. Krypto-archäologische Funde vergleichbarer Specimen in Peru (siehe dazu: Die Riesenkönige der Inka von Glenn Kimball, Ph.D) und zahlreiche Fundberichte aus Nordamerika (siehe: Riesen im prähistorischen Nordamerika – unmöglich?, ff.) sprechen ebenfalls dafür, dass es in Amerika noch in historischer Zeit tatsächlich kleine Populationen solcher Giganten gab. Was Pigafetta uns hier überliefert hat, war also aller Wahrscheinlichkeit nach kein Seemannsgarn, sondern gibt sehr genau die Beobachtungen des Chronisten wieder, dessen sonstige Angaben zur Expedition übrigens keineswegs in Zweifel stehen.

Somit handelte es sich – bis zum Beweis des Gegenteils – bei den Berichten, die seine Mannschaft bei ihrer Rückkehr nach Spanien mitbrachte, eben NICHT um Gerüchte oder Märchen, auch wenn durchaus nicht alle Alt-Patagonier die phänomenale Größe des „Tänzers“ aufgewiesen haben mögen. So verrät uns der bereits zitierte Reto Huber über die anzunehmende Durchschnittsgröße der Tehuelche: „Diese Riesen waren etwa 1,80 m groß, was für die damalige Zeit [und im Vergleich zum mediterranen Typus der Spanier und Portugiesen; bb] riesengross war.“

Wir sollten dazu anmerken, dass Huber seine Angaben zur Größe der Tehuelche sehr vorsichtig und konservativ trifft.

Die bereits angesprochene Vermutung, der Südzipfel des Kontinents sei ein Rückzugsraum früher „Naturvölker“ gewesen, erhält zusätzliches Gewicht durch Pigafettas Schilderung der erbärmlichen Verhältnisse, unter denen die Tehuelche im 16. Jahrhundert lebten: „Sie haben keine Häuser, sondern Hütten, wie die Ägypter. Sie leben von rohem Fleisch und essen eine Art süßer Wurzeln, welche sie Capac nennen. Die zwei Giganten, die wir an Bord unseres Schiffes hatten, aßen sich ihren Weg durch einen großen Korb voll Biscuit, und verspeisten Ratten, ohne sie zu häuten.“

Und sie „tranken normalerweise einen halben Eimer Wasser auf einmal.“ Eine letzte Überraschung, die Pigafetta für uns bereit hält, beantwortet je- denfalls zufriedenstellend die Frage, wie der Name Patagonien entstanden ist, denn ganz unzweideutig heißt es bei ihm im Zusammenhang mit den eingeborenen Riesen: „… Der Kapitän taufte diese Sorte Menschen Pataghoni.“

Es war also bereits Magellan, der diesen Namen für die Riesen des tiefen amerikanischen Südens prägte, wobei wir dahingestellt sein lassen können, ob dies in irgendeiner Beziehung zur Große ihrer Füße stand. Entscheidend ist, dass wir nun wissen, auf welcher Grundlage die ersten der phantastisch klingenden Berichte europäischer Seefahrer über Riesen in Südamerika zustande kamen. Weitere derartige Meldungen über die patagonischen Riesen, die in Europa begierig aufgegriffen und diskutiert wurden, ließen nicht lange auf sich warten. So vermerkt der Autor Alex Boese, der sich in seinem Online-Artikel „The Patagonian Giants“ (leider sehr einseitig) mit der Diskussion um die patagonischen Riesen beschäftigt: „Im Jahr 1578 schrieb auch Sir Francis Drake’s Schiffs-Kaplan, Francis Fletcher ein Manuskript, das eine Begegnung mit sehr großen Patagoniern beschreibt. In den 1590ern erklärte Anthonie Knivet, der mit Sir Thomas Cavendish gesegelt war, dass er in Patagonien Leichen gesehen hatte, die mehr als zwölf Fuß [ca. 3,66 m] lang waren.“

Zwischen dem späten 16. und dem 18. Jahrhundert finden wir in der zeitgenössischen Literatur immer wieder Verweise auf Patagonien als „Land der Riesen“. Bei Ooparts stießen wir z.B. auf die untere Foto-Kollage mit drei frühen Abbildungen patagonischer Riesen.

Links sind „Giganten“ zu sehen, die als Illustration der Südspitze Südamerikas, der „Tierra de Patagones“, eine Karte aus dem Jahr 1562 zieren. In der Mitte ist ist ein Stich abgebildet, der sich auf dem Titelblatt von “A Voyage round the World, in his Majesty’s ship the Dolphin, commanded by the Hon. Comm. Byron aus dem Jahre 1767” befindet. Erklärend heißt es dort: „Ein Seemann gibt einer patagonischen Frau ein Stück Brot für ihr Baby“ (Zu dieser Expedition gleich mehr.) Auf der rechten Seite befindet sich der Ausschnitt eines anderen Stichs aus dieser Periode, der Soldaten zeigt, die ein gigantisches Skelett ausgraben und einen großen „Löwen“ erlegen.

Die patagonischen Riesen im 18. Jahrhundert

Ihren vorläufigen Höhepunkt fand die Diskussion um die patagonischen Riesen etwa 200 Jahre nach Magellans Entdeckungen. In einer Online-Veröffentlichung des Deutschen Museums in München heißt es über diese Periode: „In der Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) schuf Georg III. , von 1760-1820 britischer König, die Grundlagen des britischen Weltreiches. Den Franzosen wurde Kanada abgenommen, in Ostindien gewann Großbritannien die Oberhand. Als erste Maßnahme ordnete Georg III. mehrere Erkundungsreisen an, bei denen zunächst zwei seinerzeit nur vage gesichtete Inseln, die Pepys- und die Falkland-Inseln, in näheren Augenschein genommen, dann aber auch die weiten Räume zwischen dem Vorgebirge der guten Hoffnung und der Magellanischen Straße, also der ganze südliche Atlantik, erforscht werden sollten.“

Insgesamt waren es drei Weltumseglungen und eine Fernexpedition, die auf Veranlassung Georgs III. unternommen wurden: Commodore Byrons Reise auf der Dolphin um die Welt, vom Juni 1764 bis zum April 1766, Capitain Wallis‘ Welt-Reise auf dem selben Schiff, vom Juni 1766 bis August 1768, Capitain Carterets Reise auf der Swallow, vom August 1766 bis März 1769, sowie die erste Reise Capitain Cooks auf der Endeavour vom Mai 1768 bis zum Juni 1771. Im selben Jahr beauftragte der König den renommierten Schriftsteller John Hawkesworth (1715-1773), „gestützt auf die Schiffstagebücher, einen anschaulichen Bericht dieser Reisen für ein breiteres Publikum vorzulegen. Als Honorar wurden beachtliche 6000 Pfund vereinbart.“

Die Übersetzung für die deutschsprachige Ausgabe von Hawkesworthes Buch erstellte Johann Friedrich Schiller (1737-1814), der ein Großneffe Friedrich Schillers war und lange Jahre in London verbracht hatte. Für uns ist eine kurze Randnotiz des Museums interessant, in der es heißt: „Auch die alte Streitfrage über die Riesen in Patagonien wird angesprochen, denen ein Europäer nur bis zum Knie reichen solle und die fünfzigmal so viel äßen wie ein gewöhnlicher Mensch.

(Man bedenke, daß 1726 Swifts Roman Gullivers Reisen erschien.) Dem besten Beweismittel, einem heimgebrachten toten Riesen, stand der Aberglaube der Matrosen entgegen, ein Toter an Bord brächte den Kompaß durcheinander.“

Diese letzte Bemerkung der Historiker des Deutschen Museums ist interessant, weil sie eindeutig auf den Skelett- oder Mumien-Fund eines besonders großen Specimens hinweist, das aus o.g. Gründen nicht nach Europa verbracht werden konnte. Bei dieser Entdeckung scheint es sich übrigens nicht um einen Einzelfall gehandelt zu haben, wenn wir uns an A. Knivets Bericht und an den überlieferten Fund aus dem Jahr 1615 erinnern.

Es waren also keineswegs nur „wilde Gerüchte“, die damals in Europa die Diskussion um Riesen in Patagonien (und im übrigen Amerika) anheizten. Einer dieser Diskussionsbeiträge, in denen auf die britischen Entdeckungen Bezug genommen wird („Über die Riesen in Patagonien“), stammt z.B. aus der Feder des Schriftstellers und Jesuiten Abbé Gabriel-Francois Coyer (18. 11. 1707 bis 20. 7. 1782), ein „Sendschreiben an den Herrn Doctor Maty, Sekretär der königlichen Societät in London von dem Herrn Abt Coyer, Mitgliede derselben Gesellschaft“. Über den Inhalt dieses Schreibens, das mit Zusätzen der Übersetzung 1769 bei Daniel Ludwig Wedel in Danzig erschienen ist, verrät uns unsere diesbezügliche Quelle allerdings nichts.

Doch nicht nur die Entdeckungs-Fahrten nach Amerika führten damals zu einem ‚Riesen-Streit‘ unter den Gelehrten. So heißt es bei Boese: „Eine langanhaltende wissenschaftliche Debatte gab ebenfalls den Gerüchten über eine Rasse südamerikanischer Riesen Nahrung. Der große französische Natur-Philosoph, Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon (1707-1788) hatte argumentiert, dass Tiere und Pflanzen der Neuen Welt im Vergleich mit ihren europäischen Gegenstücken klein und degeneriert seien (das war, bevor Europäer Amerika umfassend erforscht hatten).

Buffons Gegner nutzten dies aus und befürworteten die Gerüchte über südamerikanische Riesen, um Buffons Theorie über Degeneration [der Fauna und Flora] in der Neuen Welt zu widerlegen.“

Leider hält Boese den Gegenstand der Riesen-Debatte, ohne Wenn und Aber, für reine Phantasterei. So gibt er als Quelle für die im folgenden zitierte Darstellung Percy G. Adams´ 1962 erschienenes Buch „Travelers and Travel Liars: 1660-1800“ an, dessen Titel vielsagend ist, und bedauerlicher Weise übernimmt Boese in seinem Bericht unreflektiert Adams´ Meinung, es habe sich bei den Berichten über „patagonische Riesen“ lediglich um haltlose „Gerüchte“ gehandelt. Immerhin liefert er uns dabei eine interessante Schilderung der damaligen Debatte und ihrer Entstehung. Abb. 9 Eine zeitgenössiche Darstellung der Begegnung Commodore Byrons mit den riesigen Patagoniern Begonnen hatte alles im Jahr 1766, mit dem Ende der ersten der vier großen, von König Georg III. anordneten, Übersee-Expeditionen (s.o.).

Wie es bei Boese heißt, kehrte das Schiff, „das von Commodore John Byron (der den Spitznamen >Schlechtwetter-Jack< trug und Großvater des Poeten Byron war) kommandiert wurde, von einer Weltumseglung nach London zurück. Als es im Dock lag, kam ein Gerücht auf, dass die Crew der Dolphin im südamerikanischen Patagonien einem Stamm neun Fuß [2,74 m] großer Riesen begegnet sei. Gedruckt tauchte das Gerücht erstmals am 9. Mai 1766 im Gentleman’s Magazine auf. Andere Zeitungen, wie der London Chronicle, griffen dann die Geschichte auf.“

Der „Bericht aus [dem Jahr] 1766 über patagonische Riesen stieß“, wie Boese bzw. Adams zufrieden feststellen, schon „zu Beginn auf einigen Skeptizismus.“ Wenn man jedoch die Ausflüsse dieses „Skeptizismus“ näher betrachtet, stößt man lediglich auf Verschwörungs-Theorien und skurrile Männerphantasien: „Das Journal Encyclopedique druckte einen Brief von M. De La Condamine ab, der argumentierte, dass der Bericht eine Fälschung sei, die von den Engländern verbreitet würde, um ihr wahres Motiv zu verschleiern, [nämlich] eine weitere Expedition nach Argentinien zu schicken, die eine kürzlich entdeckte Mine ausbeuten sollte.

Auch Horace Walpole schrieb ein satirisches Piece mit dem Titel >An Account of the Geantz recently discovered<, das an einen Freund adressiert war, [und] in welchem er vorschlug, Byron hätte einige der patagonischen Frauen mit zurück nach England bringen sollen, um sie dazu zu verwenden, die Züchtung von Engländern zu verbessern.

Ungeachtet solch skeptischer Anmerkungen [ohne jedes argumentative Gewicht!] hielt sich ein weitverbreitete Glaube an [die Richtigkeit dieses] Gerüchts. Die Gerüchte über patagonische Riesen erwiesen sicht erst dann definitiv als fiktional [sic!; bb], als 1773 der offizielle Bericht [von John Hawkesworth] über Byron’s Reise erschien. Dieser Bericht enthüllte, dass Byron in der Tat einem Stamm Patagonier begegnet war, doch dass der großte von ihnen nur 6 Fuß, 6 Inches [ca. 1,90 m] maß. Mit anderen Worten waren sie groß, aber keine 12-Fuß-Giganten [… was offenbar in diesem Zusammenhang auch niemand behauptet hat; bb]. Der Stamm, den Byron traf, waren vermutlich die Tehuelche, die 1880 von der Rocca-Expedition ausgerottet wurden.“

Ein Fazit

Natürlich widerlegt nichts in Byrons Expeditions-Bericht die früheren Aussagen von Magellan, Drake et al. Wir haben allenfalls zur Kenntnis zu nehmen, dass die Briten offenbar im 18. Jahrhundert keinem Patagonier begegnet sind, der die Statur von Pigafettas „Tänzer“ aufwies. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang eine Feststellung, die der deutsche Naturforscher J.F. Krüger 1823 traf, der die nativen Patagonier explizit als Nachfahren eines urzeitlichen Riesengeschlechts betrachtete, und darauf hinwies, dass sich ihre durchschnittliche Körpergröße im Laufe der Zeit immer weiter verringert habe. „Noch in den wenigen Jahrhunderten, seit der ersten Bekanntschaft mit den Europäern“, schrieb Krüger damals, „hat sich die Körperlänge dieses Volkes etwas vermindert.“

Jedenfalls lagen die späten Tehuelche mit ihrem 1,80 m bis 1,90 m-Gardemaß noch immer WEIT über der Größe, die heutige US-amerikanische Anthropologen den amerinden Ureinwohnern des Doppelkontinents zubilligen (vergl. dazu: Riesen in Nordamerika: (k)ein Streitpunkt für Archäologen?), was einen nicht-amerikanischen Ursprung der alten Patagonier möglich erscheinen lässt.

Zum Leidwesen der „Skeptiker“ finden sich aus dem 19. Jahrhundert noch weitere Informationen über den Riesenwuchs patagonischer Ureinwohner. So bemerkte etwa F.M. Brockhaus in seinem ersten „Bilder-Conversations-Lexikon“ (Dritter Band) aus dem Jahr 1839 über die Menschen dieses Landes: „Bewohnt wird es von mehreren Indianerstämmen, deren einige sich durch ungewöhnliche Körpergröße auszeichnen, wie die HUILLICHES im westl. P., von welchen viele 8 engl. F[uß; ca. 2,44 m; sic!, d. Red.], und die TEHUELHETS oder südl. Leute, von den Europäern Patagonier genannt, über 6 F. [ca. 1,83 m; d. Red.] hoch sein sollen.“

Es bleibt anzumerken, dass Brockhaus im selben Band an anderer Stelle die Existenz historischer Riesenvölker energisch bestreitet, mithin also nicht im Verdacht steht, ein Protagonist der Giganten-Hypothese gewesen zu sein.

Wir können somit festhalten, dass es sich bei den überlieferten Berichten über die Riesen Patagoniens höchst wahrscheinlich NICHT um Märchen, Seemannsgarn oder Gerüchte gehandelt hat, sondern dass die europäischen Seefahrer dort vor Jahrhunderten tatsächlich ‚Menschen mit Übergröße‘ begegnet sind, die sie nicht ohne Grund als „Riesen“ bezeichnet haben.

Dabei erscheint es – angesichts zahlreicher Vergleichs-Fundmeldungen aus Nordamerika (vergl. dazu: Riesen im prähistorischen Nordamerika – unmöglich?, ff.) – durchaus glaubhaft, dass einzelne Individuen tatsächlich „phantastische“ Größen von mehr als 8 Fuß (2,44 m) erreicht haben.

Die Frage, welche Ursachen dieser Riesenwuchs hatte und woher die patagonischen Giganten eigentlich kamen, ist freilich noch völlig ungeklärt. Vermutlich werden wir auch noch geraume Zeit auf „gesicherte“ Erkenntnisse dazu warten müssen, da man in Anthropologen-Kreisen das Problem schlichtweg nicht zur Kenntnis nimmt. Aus Sicht grenzwissenschaftlicher Menschheits-Geschichtsforschung ist die Diskussion um die patagonischen Riesen jedenfalls noch längst nicht ad acta gelegt!

4 Kommentare

  1. Soso.
    Die Riesen (fr)aßen also rohes Fleisch…
    Von welchen Arten das wohl auch noch gekommen sein könnte?

    Übrigens habe ich schon seit längerem ein Problem.

    Eratosthenes fand im 3. Jhdrt v. Chr. auf intelligente Weise den Erdumfang heraus (der Erdkugel!…).

    Die Idee von Kolumbus nach einer, relativ gesehen, so kurzen Fahrt auf Indien getroffen zu sein würde bedeuten daß er die Info über den wahren Erdumfang nicht mehr kannte.

    Das Problem: vermutlich hätte er mit seinen nautischen Kenntnissen und Instrumenten denselben wohl jederzeit neu bestimmen können.

    ?

    • @ rap

      Naja.
      Vielleicht war er ja Geheimgesellschafter?
      Bei denen sollen Lügen leider öfter mal vorkommen.

      ZB gab es angeblich tatsächlich Massenvernichtungswaffen im Irak.
      Aber eben nicht so wie von der Öffentlichkeit gedacht.
      (Joseph P. Farrell und seine „Tafeln des Schicksals“…, sind die die quasi Software für wirklich Schlimmes?)

    • Cristóbal Colón, der Grieche und nicht Genuese, wußte genau, daß er nicht nach Indien fuhr sondern nach dem heutigen América. So war auch sein Proviant exakt für diese Entfernung berechnet.
      Und ansonsten ist der Artikel über Patagonien nicht sehr richtig, denn es gibt auch das chilenische Patagonien/ la patagónia chilena.
      Die Tehuelches sind ein Indiostamm / Indígena-Stamm so wie die Quilmes-Indios.
      Daß es Riesen mit 3,5 m in Patagonien gab, das ist längst bewiesen und dabei handelt es sich ganz sicher nicht um die Tehuelche (Teueltsche gesprochen, e und u werden getrennt gesprochen!) Die Europäer schlafen wie immer.
      Es gab auch Riesen mit 20 m Höhe. Man redet nur ungern darüber.
      Des weiteren hat der „Lügner“ Cristóbal Colón Amerika nicht entdeckt. Es waren meine Vorfahren die Vikinger, die nachweislich bis in die Bucht des heutigen Bahía Blanca, dem „Tor zu Patagonien“, kamen. Und das war die Zeit von Leif Erikson (ca. 950 – 1020). Leif Erikson hat auf dem Südkontinent sehr vieles hinterlassen wie kilometerlange Dolmenalleen.
      Der „Falschspieler“ Darwin hat nach ihnen gesucht und sie auch gefunden. Deswegen war er um 1873 in der Gegend von Bahía Blanca und besuchte die Gegend allein. Woher hatte der Mann diese Informationen? Diese konnten nur von den Vikingern kommen.
      Und weiterhin waren die „Vikingos“ vor ca. 800 Jahren nochmals in Patagonien. Denn sie begleiteten einige der übriggebliebene Tempelritter nachweislich in das von Bahía Blanca (Stadt am Südatlantik an der namensgleichen Bucht) aus gesehen in den tieferen Süden Patagoniens. Die Vikinger waren eben die einzigen Weißen mit Ortskenntnissen. Und bis auf den heutigen Tag berichten Indígenas/Indios von den Segeln der Vikinger in der Bucht von Bahía Blanca.
      Außerdem wurde der Kontinent der Drei Amerikas / de los tres Américas nicht von den Aleüten aus bevölkert sondern aus dem untergegangenen Teil Lemurias vor der Küste Chiles. Einen Rest Lemurias sieht man noch als Schilkröteninseln / Islas Galápagos.
      Die ältesten Städte der 3 Amerikas liegen also auf dem Südkontinent und werden gen Norden stets jünger.
      Der südamerikanische Kontinent soll vor ungefähr 12 000 Jahren aus dem Wasser aufgetaucht sein. In den Anden findet man auf 3 000 m.ü.d.M. Muscheln von ca. 1m Durchmesser. Außerdem gibt es in den Anden eine Gegend auf 1 200 m mit Meeressand und einer Küstenlandschaft wie auf Sylt.

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