Gefahr am Hochvogel im Allgäu: 400 000 Kubikmeter Fels könnten ins Tal donnern

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Der Hochvogel im Allgäu wird mit Sensoren überwacht. Das ist auch nötig: 400 000 Kubikmeter Fels könnten vom Gipfel abbrechen.

Ein Bergrutsch in einer Dimension wie in der Schweiz – das ist in den bayerischen Alpen derzeit nicht zu befürchten. Abbruchgefährdete Berghänge gibt es aber sehr wohl.

Unter Beobachtung der Wissenschaft steht vor allem der 2592 Meter hohe Hochvogel westlich von Oberstdorf an der bayerisch-tirolerischen Grenze. Ein Team um Prof. Michael Krautblatter von der TU München hat den Berggipfel mit Sensoren und Kameras versehen. Der Hochvogel ist von Rissen zerklüftet, es droht ein gigantischer Felssturz.

Die Nachricht ist nicht neu, schon 1935 gab es hier einen Felssturz, seitdem immer wieder. Seit 2014 steht der Hochvogel im Fokus des TU-Lehrstuhls für Hangbewegungen, den Krautblatter leitet.

Damals brachen erneut etwa 140 000 Kubikmeter Gestein ab. Eine Aufstiegsroute im Süden, der Bäumenheimer Weg, ist seitdem gesperrt, wer ihn trotzdem geht, setzt sich Lebensgefahr aus.

Es könnte mehr abbrechen als zuletzt prognostiziert

Die potenzielle Masse, die insgesamt in die Tiefe stürzen könnte, haben die Geologen neu berechnet. Während man bisher von etwa 260 000 Kubikmeter Gestein ausging – eine Zahl, die veraltet ist, aber noch oft von den Medien kolportiert wird –, so sind es jetzt bis zu 400 000 Kubikmeter, die Richtung Süden ins Tal stürzen könnten.

Das wäre etwa ein Zehntel bis ein Zwanzigstel der Masse, die in der Schweiz das Dorf Blatten verschüttete, rechnet Krautblatter vor. Zur Ruhe gekommen ist der Berg seit 2014 nicht – im Gegenteil: Die Risse und Spalten werden immer tiefer und breiter. Wasser, das sich in den Spalten ansammelt, wirkt wie Treibstoff, nach Frost erodiert der Berg weiter.

Besondere Sorgen bereitet ein Riss unweit des Gipfelkreuzes, der sich im vergangenen Sommer mehrere Zentimeter verbreiterte, wie Krautblatter im Gespräch mit der „tz“ berichtet. Hier bestehe die Sorge, „dass es nicht mehr so lange dauert, bis ein Teilabsturz passiert“.

Eine präzise Vorhersage ist nicht möglich. Der Forscher prognostiziert, dass sich die Risse einige Tage vor einem Totalabbruch schnell vergrößern würden, vielleicht einige Zentimeter täglich. Dann bekäme er einen Alarm aufs Handy und würde die Behörden und die Bürgermeister der beiden angrenzenden Gemeinden Hindelang im Allgäu und Hinterhornbach in Tirol alarmieren.

Immerhin: Auch bei 400 000 Kubikmeter werde „kein Siedlungsraum betroffen“ sein, sagt Krautblatter. Jedoch müssten etwaige verschüttete Wildbäche wie etwa der Hornbach danach schnell freigeräumt werden, um Überflutungen vorzubeugen.

Alarm an der Partnachklamm

Die Forscher haben noch weitere Regionen im Blick, etwa im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Vergangene Woche wurde ein Laser am Ferchenbach oberhalb der Partnachklamm installiert.

Ein Frühwarnsystem soll künftig messen, ob der Bach durch Hangbewegungen zugeschüttet wird und sich dann aufstaut. Die Folge wäre im Extremfall eine Schwallwelle (so der Fachausdruck) durch die Partnachklamm.

Schon seit 2016 wird die benachbarte Höllentalklamm überwacht. Bewegt sich ein Fels, wäre die Klamm wegen akuter Steinschlaggefahr unpassierbar. Zwei Mal schon mussten einzelne Wegabschnitte gesperrt werden, Wanderer wurden über Stollen im Berg umgeleitet.

2015 rutschte der Hang bei Grafenaschau

Auch unweit des Murnauer Mooses ist der TU-Lehrstuhl aktiv: 2015 gab es am Hechendorfer Berg bei Grafenaschau eine sogenannte Großrutschung, die Forststraßen begrub, Bäume entwurzelte und sich wie eine Mure nach unten ergoss – auf einer Fläche von 60 Hektar. Seitdem ist der Hang nicht mehr gänzlich zur Ruhe gekommen. Einmal im Jahr wird der Rutschhang mit einer Drohne vermessen.

Krautblatters Forschungsgebiet hat mittlerweile Konjunktur, wohl auch eine Folge der internationalen Berichterstattung über spektakuläre Felsstürze wie 2022 an der Marmolata im italienischen Trentino, als ein Gletscherbruch elf Bergsteiger in den Tod riss, oder wie jetzt in der Schweiz.

Als er anfing, erzählt der Professor, hatte der Lehrstuhl zwei Mitarbeiter, heute sind es 20. In diesem Monat ist eine neue Exkursion zum Hochvogel geplant – zusätzliche Messinstrumente sollen installiert werden.

Kommentare

Eine Antwort zu „Gefahr am Hochvogel im Allgäu: 400 000 Kubikmeter Fels könnten ins Tal donnern“

  1. Avatar von uwe
    uwe

    In welcher relativ kurzen Zeitspanne der Hochvogel zerbröselt. Sollte dieser Vogel nicht schon MillionenxMillionenxypsen Jahre so rumstehen? Niemals. Wenn der Mensch ein Haus vor 300 Jahren gebaut hat und es niemals sanierte, wäre das Haus jetzt genau so am zerbröseln. Also: Unsere Voiliere ist nicht viel älter als 300 Jahre.

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