In Helena Blavatskys Geheimlehre wird die „Schaffung“ Satans, d.h. des gefallenen Engels, damit beschrieben, dass dieser den Menschen nicht blind nach den Vorgaben Gottes schaffen wollte, d.h. nicht mehr nur ein ausführendes Organ sein wollte, sondern selbst Schöpfer und Bestimmer über den Menschen sein wollte.
Wenn die Bedeutung dieser Allegorie aufgeklärt sein wird, wo wird sich zeigen, dass Satan und seine trotzige Schar sich bloß deshalb geweigert haben, den körperlichen Menschen zu schaffen, um die unmittelbaren Erlöser und Erschaffer des göttlichen Menschen zu werden. Die symbolische Lehre ist nicht allein mystisch und religiös – sie ist rein wissenschaftlich, wie später zu sehen sein wird.
Denn anstatt ein rein blind funktionierendes, von dem unergründlichen Gesetze getriebenes und geleitetes Medium zu bleiben, beanspruchte und erzwang der „rebellische“ Engel sein Recht auf selbständiges Urteil und Willen, sein Recht auf freies Handeln und auf Verantwortlichkeit, sintemal Mensch und Engel gleichermaßen dem karmischen Gesetze unterstehen. Gelegentlich der Erklärung der kabbalistischen Anschauungen sagt der Verfasser New Aspects of Life von den gefallenen Engeln:
Nach der symbolischen Lehre wurde der Geist aus einem einfachen Ausführungsorgane Gottes in einem entwickelten und entwickelnden Wirken zu einem wollenden Wesen, und er fiel, indem er seinen eigenen Willen an Stelle des göttlichen Wunsches beachtete.
Daher sind das Reich und Gebiet der Geister und des geistigen Handelns, welche aus dem Geisteswillen strömen und dessen Erzeugnis sind, außerhalb und im Gegensatze und Widerspruche mit dem Reiche der Seelen und des göttlichen Handelns.
Außerdem äußert sich Blavatski, dass die Gnostiker mit dem Gott Ilda Baoth (ins unserem Text Jaldabaoth genannt) auf Jehova beziehen und diesen möglicherweise zu einseitig als nur böse betrachten.
S.319
In Band II desselben Werkes [66] werden die philosophischen Systeme der Gnostiker und der ursprünglichen Judenchristen, der Nazarener und Ebioniten, vollständig betrachtet. Sie zeigen die Ansichten, die man in jenen Tagen außerhalb des Kreises der mosaischen Juden über Jehovah hatte. Er wurde von allen Gnostikern viel mehr mit dem bösen, als mit dem guten Prinzipe identifiziert.
Für sie war er Ilda-Baoth, der „Sohn der Finsternis“, dessen Mutter, Sophia Achamôth, die Tochter der Sophia, der göttlichen Weisheit – des weiblichen heiligen Geistes der frühen Christen – der Âkâsha, war; Sophia Achamôth personifizierte das niedere Astrallicht oder den Ether. Das Astrallicht steht im selben Verhältnisse zu Âkâsha und Anima Mundi, wie Satan zur Gottheit steht. Sie sind ein und dasselbe Ding, gesehen unter zwei Aspekten, dem geistigen und dem psychischen – dem superetherischen oder Bindeglied zwischen Materie und reinem Geist – und dem physischen. [67]
Ilda Baoth – ein zusammengesetzter Name, gebildet aus Ilda ([korrekter Abdruck siehe Buch]), Kind, und Baoth; das letztere von [korrekter Abdruck siehe Buch], ein Ei, und [korrekter Abdruck siehe Buch], Chaos, Leerheit, Leere oder Einsamkeit; oder das Kind geboren in dem Eie des Chaos, wie Brahmâ – oder Jehovah, ist einfach einer der Elohim, der sieben schöpferischen Geister, und einer der niederen Sephiroth.
Ilda Baoth erzeugt aus sich selbst sieben andere Götter, „Sternengeister“, oder die Mondvorfahren, [68] denn sie sind alle dasselbe. [69] Sie sind alle nach seinem eigenen Bilde, die „Geister des Angesichtes“, und einer der Reflex des anderen, und werden um so dunkler und materieller, je mehr sie der Reihe nach sich von ihrem Ursprunge entfernen.
Weiter sagt Blavatski auf S.320
So wächst „Satan“, sobald er nicht mehr in dem abergläubischen, dogmatischen, unphilosophischen Kirchengeiste betrachtet wird, zu dem großartigen Bilde empor von einem, der aus einem irdischen einen göttlichen Menschen macht; der demselben durch den langen Cyklus des Mahâkalpa das Gesetz des Geistes des Lebens giebt und ihn befreit von der Sünde der Unwissenheit, somit vom Tode.
Was in Widerspruch steht zu der gnostischen Auffassung, so wie ich sie verstehe. „Satan“ ist zwar der Schöpfer des Menschen, aber die Idee des Menschen kommt aus dem göttlichen Reich. Um den Menschen jedoch an sich zu binden bedient er sich gerade der List des Todes, sodass der Mensch im Laufe seines Lebens von den Lüsten verführt wird in das Schicksal und seine wahre Abstammung nicht erkennt.
Fazit – Wer sind nun die Archonten?
Es ist schwer zu sagen, wie die Archonten wirklich ausschauen, da selbst die gnostischen Schriften sich widersprechen. In der Pistis Sophia wird von Planeten als Manifestation gesprochen (wobei man hier auch eine Wechselwirkung mit der griechischen Kultur annehmen kann), in den Nag Hammadi Texten wird eher von Wesen mit Tierköpfen gesprochen.
In der heutigen gut dokumentierten Welt ist keines dieser Wesen gesichtet worden, daher müssen wir, wenn wir die Theorie nicht völlig verwerfen möchten, von psychischen Instanzen ausgehen. Die Archonten haben demnach Einfluss auf unseren Geist, sind ihm aber letztlich unterlegen, da wir sowohl die Weisheit (Sophia) als auch den göttlichen Funken in uns haben.
Verwirrend ist es jedoch, dass an einer Stelle geschrieben wird, dass die Archonten sich als Paargenossen tarnen können, um uns zu verführen. Jedoch ist auch hier eher von einer geistigen Manipulation auszugehen.
Ich persönlich lese die Archonten als Metapher für negative psychische Kräfte, welche der Mensch im Laufe seiner Individuation überwinden muss. Ihre Kräfte werden beschrieben als Lust, Begierde, Trauer und Furcht. Diese zu überwinden dürfte auch einem Menschen ohne spirituelle Neigung ein Anliegen sein. In diesem Sinne sehe ich diese Kräfte als Stachel der Evolution, welcher uns zur Weisheit führt.
Der schöpferische Gott, welcher unseren Geist mittels trügerischer Erscheinungen blendet, wird in der Religion zwiespältig behandelt. In den östlichen Religionen gelten die Illusionen als etwas, was es zu überwinden gilt und werden dahin erklärt, daß sie in dem illusorischen Begriffsvermögen der egoistischen, persönlichen und menschlichen Seele (niedereres fünftes Prinzip) entstehen.
Insofern könnte man die Archonten auch als Trugbild der menschlichen Seele sehen, weil sie uns mit negativen Illusionen speisen. Ich denke, dass der Weg zur Weisheit in der Befreiung von diesen Illusionen liegt und daher stellen für mich die Archonten auch keine externe bedrohliche Kraft dar, sondern eine Herausforderung auf dem Weg zur Ganzheit.
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