Die Zeit der Mondlichttürme

Wenn man bedenkt, dass Thomas Alva Edison erst 1879 eine Kohlenfadenlampe entwickelte und daraufhin nach allgemeiner Geschichtsschreibung Glühbirnen erfand, ist man überrascht, wenn man sich die Episode bzw. das Aufkommen der Mondlicht-Türme genauer anschaut. Ein Artikel von spurensucher.eu

Was geschah in L.A. kurz zuvor? 1867 installierte die Los Angeles Gas Company, der Vorläufer der heutigen Southern California Gas Company, 43 neue Gaslampen entlang der Main Street und machte die Stadt nachts sicherer. Das Gasbeleuchtungsgeschäft wurde von fünf Unternehmern betrieben, die das Gas aus Asphalt, einer teigartigen Substanz, und später aus Öl herstellten.

Zu dieser Zeit gab es abends nur schwach beleuchtete Gaslaternen die von einer Veranda hingen, und die als einzige Lichtpunkte auf den ansonsten dunklen Straßen der Stadt wahrgenommen wurden. Per Gesetz wurden Anwohner und Geschäftsinhaber später aufgefordert, eine Lampe außen vor ihre Türe zu hängen und die ersten zweieinhalb Stunden jeder dunklen Nacht zu beleuchten. Bei Nichtbeachtung gab es eine Ordnungsstrafe von $2 für das erste Mal und $5 für jede weitere Unterlassung.

1882 sorgte C. L. Howland für Abhilfe und installierte sieben jeweils rd. 50 Meter hohe Straßenlaternenmasten, die jeweils drei Kohlenbogenlampen ausgestattet waren und Licht in der Größenordnung von 3.000 Kerzen spendeten. Außerdem installierte er ein kleines Kraftwerk, das den Strom für seine neue Straßenbeleuchtung lieferte.

Dies geschah ungefährt zeitgleich mit dem Ereignis, als Thomas Edison sein Kraftwerk Pearl Street in New York fertig stellte.

In freudiger Erwartung warteten die Bürger in L.A. gespannt auf den Moment in der Geschichte, als die ersten Straßenlaternen den Nachthimmel erleuchten würden. Dieser Moment war der 30. Dezember 1882 vor einer bewundernden Menge von Zuschauern. Bürgermeister Toberman legte um zwanzig Minuten nach acht den Schalter um und beleuchtete gleichzeitig zwei Mastspitzen.

Ein damaliger Bericht im „Express“ berichtete vom historischen Ereignis: „Die Hauptstraßenbeleuchtung brannte gleichmäßig und schön und warf ein Licht, das dem Schein des Vollmonds auf Schnee ähnelt. Die erste Straßenleuchte war sehr instabil, leuchtete manchmal hell und verblasste dann wieder fast vor den Augen. Die einzige Beschwerde bis jetzt kommen von jungen Paaren, die auf dem Heimweg von der Kirche oder dem Theater keine dunklen Plätze mehr finden.“

Am nächsten Abend wurden fünf weitere Masten angeschlossen.

Darf es noch etwas höher sein? 

Die Welcome City Hall von Detroit schmückte sich zeitgleich sogar auch schon mal mit einem 90 Meter hohen Mondlichtturm. Von dieser Sorte gab es in Detroit dann kurz darauf wohl zahlreiche weitere. Insgesamt sollen es am Ende dann 122 Stck. gewesen sein, im Durchschnitt 50 bis 60 Meter hoch.

Der Beleuchtungsradius lag jeweils wohl bei 500 Metern. Jeder Turm war von vornherein mit 6 Lampen ausgestattet. Diese Turmeuphorie soll 21 Quadratmeilen der Stadt ausgeleuchtet haben. Alleine die Befestungsseile schließen auf großen Optimismus. Die Stadt muss einem Spinnennetz geähnelt haben. Detroit war offenbar die einzhige Stadt weltweit, die ausschließlich für die Beleuchtung auf das Turmsystem gesetzt hatte.

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Abb.: Detroit; Lycurgus S. Glover, Wikimedia Commons

Abb.: Detroit, 1883, Majestic Building. In Austin, Texas, gab es anschließend weitere.

Uncredited photographer for Detroit Publishing Company, Wikimedia Commons

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Abb: Detroiter Mondlichtturm am Lake St. Claire oder Lake Ellie, Belle Isle Bathing Beach and Bath House, Detroit, Mich.; Tichnor Brothers, Publisher, via Wikimedia Commons

Die Bogenlampen sollen extrem hell geleuchtet haben und um das 20-fache energieeffizienter gewesen sein als frühe Glühlampen (zumindest) dieser Zeit. Sie galten als zu hell für Innenräume, eigneten sich aber offenbar für die städtische Beleuchtung. Die Kohle- oder Lichtbogenlampen (auch elektrische Kerzen genannt) gab es schon lange vor der Erfindung von Edison (seit Anfang des 19. Jahrhunderts). Das blendend weiße Licht wurde über zwei Kohlestangen, die mit einer Batterie verbunden wurden, erzeugt. Das Ergebnis war gleißendes Licht eines Erzeugten Lichtbogens.

Technisch schwierig gestaltete es sich zunächst, diese Lichtbogen kleiner zu machen. Eine elektrische Kerze (eine solche Bogenlampe) erzeugte ein Licht, das dem von 1.500 bis 6.000 Kerzen entsprach – analog der Leistung von 11 bis 43 modernen 100-Watt-Glühlampen. Die Temperatur im Lichtbogen konnte offenbar bis auf 4.000 Grad Celsius ansteigen – der höchsten Temperatur, die der Mensch bis zur Entwicklung der Atombombe erreichte. Vielleicht war das der Grund dafür, diese Dinger nicht in Innenräumen unterzubringen. Dennoch recht mutig, solche Brenn“herde“ in städtischer Umgebung zu platzieren. Ende der 1870er Jahre hatte man die Technik mit den Bogenlampen so verbessert, dass sie nicht nur heller, sondern auch billiger und sicherer wurden. Die klassischen Glühlampen folgten erst 70 Jahre später.

Angeblich soll der erste Bogenlichtturm im Dezember 1881 in San José, Kalifornien, errichtet worden sein. Er war beeindruckende 72 Meter hoch und wurde von vornherein mit 6 passenden Bogenlampen ausgestattet, was einer Gesamthelligkeit von 24.000 Kerzen entsprach. Die nachstehende Abbildung zeigt einen halb so hohen Turm an gleicher Stelle, den man später dort hin setzte – der ursprüngliche Riese hielt einem Sturm 1915 nicht stand und brach in sich zusammen. (Abb. Artist not credited, Wikimedia Commons).

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(Postkarte von San José, Artist not credited, Wikimedia Commons)

 

San_Jose_Electric_Light_Tower_(Harper's_Weekly,_1881-12-10,_pg_821)Abb.: San José vom 10.12.1881; Peelor, H.G., via Wikimedia Commons 

Wie auf Knopfdruck ging es auch in New Orleans los, wo gleich mehrere Türme auf einmal errichtet wurden. Einige davon beleuchteten den Hafenbereich des Mississippi River, um beim Be- und Entladen der Schiffe bei Nacht Unterstützung zu leisten. Ein Turm an der belebten Kreuzung von Canal Street, Bourbon Street und Carondelet Street wurde zusammen mit vier Wasserleitungen errichtet, um die  potentielle Brandbekämpfung in den nahe gelegenen mehrstöckigen Gebäuden zu unterstützen.

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Abb.: New Orleans (1883), Illustration von Julian Oliver Davidson (died 1894), Wikimedia Commons

Mondlichttürme galten seinerzeit als energieeffizienteste Art, eine ganze Stadt zu beleuchten, da nur eine minimale Anzahl von Lampen benötigt wurde. Alles in allem war das Lichtmastensystem das preiswerteste Verfahren, um eine komplette Stadt zu beleuchten. Allerdings standen immer höhere Gebäude der weiteren Entwicklung deutlich im Weg. Eine gleichmäßige Ausleuchtung wäre auf diese Weise immer komplizierter geworden.

Dennoch bleiben Zweifel, da auch überaus positive Kommentare aus der Vergangenheit in die Gegenwart reichen: Man behauptete, dass sie nich nur mehrere Wohnblocks gleichzeitig beleuchten konnten, sondern sie wurden sogar als „künstliches Sonnenlicht“ bezeichnet. Man bezeichnete sie mitunter als so hell, dass die Leute sich des Nachts mit Zeitungen auf den Boden legen konnten, um zumindest die Schlagzeilen zu lesen lesen. Gerade in mittelgroßen Städten ohne Wolkenkratzer galten die Mondlichttürme als Zukunft. Sie brannten den Tag ganzen Tag über bis in die Nacht und gaben den Menschen die notwendige Sicherheit.

Paris stand damals im Verdacht, diese Mondlichtturm-Technologie ohne Genehmigung einfach kopiert zu haben. Als Ständerwerk musste dann auch schon mal der Eifelturm herhalten. Andere Parteien behaupteten, in der französischen Landeshauptstadt wäre diese Technik schon sehr lange verbreitet gewesen. Wie war es wirklich … ?

Paris_Bogenlichtlampen

Abbildung: Eifelturm, Paris, Quelle unbekannt

Austin in Texas hält seit dem Ende des 19. Jahrhunderts heute noch immerhin 17 Türme in Betrieb. Man versprach sich seitdem dadurch ein Höchstmaß an öffentlicher Sicherheit. Während überall im Lande in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts die Mondlichttürme von der Bildfläche verschwanden, blieben die Türme in Austin großteils stehen.

Abb.: Mondlichtturm in South Austin. Kaum zu glauben, dass diese noch immer in Betrieb sind. 

Quelle

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