Die „Cappela Sansevero“ im historischen Herzen von Neapel wurde ursprünglich erbaut als Gruft für eine adlige Familie. Doch schon um ihre Entstehung ranken sich Legenden.
Und einige der hier gezeigten Ausstellungsstücke würden wohl eher in ein Gruselkabinett passen. Trotzdem, oder gerade deswegen, ist der Ort heute ein Touristenmagnet.
(Titelbild: Die sogenannten Anatomischen Maschinen befeuerten die Spekulationen, Prinz Raimondo stünde mit finsteren Mächten in Verbindung)
In der Straße Francesco De Sanctis findet sich, im Herzen von Neapels historischem Zentrum, eine der skurrilsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Man könnte wohl auch sagen: eine der unheimlichsten.
Denn einige der Exponate, die in der „Cappela Sansevero“ gezeigt werden, könnten dem zartbesaiteten Betrachter durchaus einen kalten Schauer über den Rücken jagen. So verwundert es nicht, dass sich um einen ihrer Stifter einige düstere Legenden ranken.
Der offiziellen Webseite der Cappela Sansevero nach ist es etwa das Jahr 1590, als ein unschuldig in Ketten gelegter Mann an der Stelle, wo sich heute die Kapelle befindet, eine Heiligen-Erscheinung hat. Auf seinem Weg ins Gefängnis passiert er die Gärten der adligen Familie di Sangro, als laut einer Legende auf einmal eine Mauer einbricht, und sich dem Mann eine Madonna zeigt.
Schnell wird die Stätte zum Pilgerort, an dem noch viele weitere Wunder geschehen. Eines davon sollte den Ort bald auf immer mit der Familie di Sangro verbinden.
Denn eines Tages wendet sich auch Giovan Francesco di Sangro, der Herzog von Torremaggiore, Hilfe suchend an das Madonnenbild. Schwer erkrankt, widerfährt ihm laut Legende dadurch eine Art Wunderheilung.
In der Folge beschließt er, der Heiligenerscheinung zu Ehren eine kleine Kapelle am Ort des Mirakels errichten zu lassen. Es ist die Geburtsstunde der Cappela Sansevero. Noch heute ist die Madonna, die damals angeblich den Gläubigen erschien, über dem Hochaltar in dem kleinen Gebäude zu bewundern.
Sein Sohn Alessandro di Sangro ist es dann, der die Cappela Sansevero erweitern und zur Familiengruft umbauen lässt. Mehrere Angehörige der mächtigen Familie liegen immer noch hier bestattet.
Die Kapelle macht durch ihre prunkvolle Ausstattung schnell von sich reden, in zeitgenössischen Berichten wird unter anderem ihrer Ausstattung mit „feinstem Marmor“ gehuldigt. Doch es ist ein anderes Mitglied der Familie di Sangro, der den Ort zu einer Legende macht – allerdings zu einer mit zahlreichen düsteren Aspekten.
Denn 1749 beauftragt wiederum Prinz Raimondo di Sangro die bekanntesten Künstler seiner Zeit, der Cappela Sansevero neuen Glanz zu verleihen. Raimondo ist zu dieser Zeit eine schillernde Gestalt in Neapels Gesellschaft, unter anderem ein Großmeister der örtlichen Freimaurerloge.
Ein Mann der Wissenschaften und der Sprachen ist er seiner Zeit weit voraus. Er experimentiert, in unterirdischen Laboren in seinem Palast, unter anderem mit Chemie, Hydrostatik und Mechanik. Und wohl genau deshalb kursieren in der Bevölkerung schon bald einige dunkle Gerüchte über ihn.
Dazu tragen vor allem zwei Ausstellungsstücke der Cappela Sansevero bei, die Besucher noch heute in ihrer Krypta bestaunen können.
Bei den zwei sogenannten Anatomischen Maschinen handelt es sich um erschreckend realistische Nachbildungen des menschlichen Körpers, die auch noch kleinste Details derer Anatomie zeigen. 1756 beauftragte Raimondo den Doktor Guiseppe Salerno mit deren Bau, für den dieser acht Jahre brauchte. Das Resultat war so lebensnah, dass schnell die wildesten Spekulationen kursierten.
(Unheimliches Herzstück der Cappela Sansevero ist die wie lebensecht wirkende Skulptur „Verschleierter Christus“)
Schwarze Magie
So wurde behauptet, die beiden Körper, ein Mann und eine Frau, seien Bedienstete von Raimondo gewesen. Doktor Salerno habe ihnen unter seiner Aufsicht ein Mittel injiziert, das sie „metallisiert“ habe. Tatsächlich trug zu dieser Legende wohl bei, dass es sich bei dem Knochengerüst der beiden Exponate um echte menschliche Skelette handelt.
Zu Lebzeiten bewahrte der Prinz die beiden Körper wohl zu Studienzwecken in seinen Privatgemächern auf. Erst lange nach seinem Tod wurden sie dann in die Cappela Sansevero gebracht.
Doch es ist ein anderes Ausstellungsstück, das heute hauptsächlich die Vielzahl der Touristen in die Cappela Sansevero lockt. Dabei handelt es sich um eine Marmorfigur namens „Verschleierter Christus“, eine Nachbildung des Erlösers auf dem Totenbett.
Das steinerne Leichentuch, das seinen Körper bedeckt, erschien Zeitgenossen von Prinz Raimondo so realistisch, als wäre es aus echtem Stoff. Und so entstand schon bald ein neuer Mythos, der eigenwillige Prinz könne dank schwarzer Magie Fleisch zu Marmor verwandeln.