Stärkste Erdbeben seit 40 Jahren: Supervulkan bei Neapel sorgt für Panik – Anwohner übernachten im Freien

Der Supervulkan unter den Phlegräischen Feldern bei Neapel gibt keine Ruhe. Tausende Anwohner gerieten wegen des Bebens in Panik und übernachteten im Freien oder in ihren Autos.

(Titelbild: Der Bürgermeister von Neapel, Gaetano Manfredi, hält nach den heftigen Beben vom 20. Mai eine Konferenz ab)

Dass im Gebiet rund um die Hafenstadt Pozzuoli bei Neapel immer mal wieder die Erde bebt, daran haben sich die Einheimischen inzwischen gewöhnt:

Seit der Supervulkan unter den Phlegräischen Feldern wieder zu rumoren begonnen hat, haben sich in dem Gebiet schon Tausende kleinere Erdbeben ereignet. Der Erdstoss vom späten Montagabend war aber anders.

Mit einer Stärke von 4,4 auf der Richterskala handelte es sich um das stärkste Erdbeben seit 40 Jahren. Unzählige Häuser bekamen Risse, Teller und Gläser fielen aus den Regalen, ausserdem kam es zu kleineren Erdrutschen.

In Pozzuoli mussten 35 Familien aus ihren einsturzgefährdeten Häusern evakuiert werden. Innerhalb von nur vier Stunden bebte am Pfingstmontag die Erde in dem Gebiet etwa 150 Mal. In der Nacht auf Dienstag kam es zu weiteren Beben.

Der heftige Erdstoss hat in Pozzuoli, aber auch in anderen Gemeinden der Phlegräischen Felder und in einigen Quartieren im nur 10 Kilometer entfernten Neapel Panik ausgelöst. Tausende Menschen rannten auf die Strasse und verbrachten die Nacht im Freien oder in ihren Fahrzeugen.

Die Verunsicherung unter der Bevölkerung ist gross: «Sie sagen uns nicht, was los ist», betonte eine Anwohnerin von Pozzuoli gegenüber dem staatlichen Fernsehen Rai. Die Menschen seien allmählich mit ihren Nerven am Ende. In Pozzuoli haben die Behörden kleine Zeltlager eingerichtet.

Die Schulen blieben gestern geschlossen. Es handle sich um eine reine Vorsichtsmassnahme, betonte Bürgermeister Luigi Manzoni. Man müsse kontrollieren, ob die Gebäude noch sicher seien. Manzoni forderte die Bürgerinnen und Bürger auf, «die Ruhe zu bewahren».

Der Boden über dem Supervulkan hebt sich an

Das ist leichter gesagt als getan, denn neben dem Schreck über das ungewöhnlich heftige Erdbeben plagt die Bevölkerung die Angst vor dem Supervulkan unter ihren Füssen. Bei den Phlegräischen Feldern handelt es sich geologisch gesehen um einen riesigen eingestürzten Vulkankrater, eine sogenannte Caldera.

Ihr Durchmesser beträgt rund 150 Kilometer. Sie reicht damit auch weit ins Meer hinaus. Das Epizentrum des Bebens vom Pfingstmontag lag knapp 3 Kilometer unter der Solfatara von Pozzuoli.

Die häufigen Erdbeben – in der Fachsprache auch Schwarm-Erdbeben genannt – sind eine Folge davon, dass sich der Boden über dem Supervulkan langsam anhebt. Die dabei entstehenden enormen Spannungen in der Erdkruste entladen sich in Erdstössen.

In den letzten Monaten hat sich die Erhebung des Bodens beschleunigt. Zuletzt hatte sich der Boden in nur 15 Tagen um 20 Millimeter gehoben. Über die Ursache sind sich die Experten des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) nicht einig.

Ein Ausbruch könnte das Weltklima verändern

Während viele von ihnen die Erhebung des Bodens als Folge von aufsteigenden Gasen und Wasserdampf interpretieren, glauben einige, dass auch Magma aus der grossen, rund 8 Kilometer unter der Erdoberfläche liegenden Kammer in kleinere Kammern in etwa 4 Kilometer Tiefe aufgestiegen sein könnte.

Dies wäre beunruhigend. Ein grosser Ausbruch des Supervulkans hätte nicht nur für die 500’000 Einwohner der Phlegräischen Felder verheerende Auswirkungen, sondern er könnte das gesamte Weltklima verändern.

INGV-Chef Carlo Doglioni hatte bei einer Anhörung im Parlament in Rom noch vor wenigen Tagen versucht, so etwas wie Entwarnung zu geben: Die Phlegräischen Felder seien der am intensivsten überwachte Vulkan der Welt. Die Anhebung des Bodens, die derzeit monatlich 20 bis 30 Millimeter betrage, liege deutlich unter jener der letzten Erdbeben-Krise Anfang der 1980er-Jahre.

Damals habe sich der Boden monatlich um bis zu 90 Millimeter gehoben. Auch die übrigen Parameter wie Bodentemperatur und die Menge der austretenden vulkanischen Gase seien derzeit «unauffällig».

Im Oktober 1983 waren etwa 20’000 Bewohnerinnen und Bewohner von Pozzuoli wegen eines möglichen Ausbruchs des Supervulkans evakuiert worden. Viele von ihnen kehrten nicht mehr in ihre Stadt zurück.

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