Mesoamerikanische Zivilisationen, darunter die Maya und Azteken, haben zahlreiche Rätsel hinterlassen.
Einige davon sind in jüngster Zeit dank überraschender archäologischer Entdeckungen einer Lösung näher gekommen.
Im Süden Mexikos, in der historischen Stadt Mitla, wo christliche Tempel neben den Überresten heidnischer Schreine stehen, haben Archäologen unter der Kirche San Pablo Apostol erneut ungewöhnliche unterirdische Hohlräume entdeckt.
Diese mit einem Bodenradar entdeckten Hohlräume erreichen Tiefen von bis zu 30 Metern und unterscheiden sich von typischen Kellern.
Sie wecken die wissenschaftliche Neugier und deuten auf die Existenz eines ausgedehnten unterirdischen Gangnetzes hin.
Früher glaubte man, dass die Hohlräume unter der Kirche mit einer Legende der Zapoteken zusammenhingen, die ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. in dieser Gegend lebten.
Zwischen dem 10. und 15. Jahrhundert war die Stadt Mitla ein bedeutendes religiöses Zentrum und wurde nach ihrer Eroberung von den Spaniern „Indischer Vatikan“ getauft.
Zu den ausgegrabenen Ruinen gehörten Opferstätten, sogar für Menschenopfer, und Tempel, in denen die Zapoteken ihre Gottheiten verehrten, wie Kopijcha und Kokebil, die Schutzherren von Sonne und Mond.
Die Götter Coqui Bezelao und Xonaxie Quecuya wurden im zapotekischen Glauben als Beschützer der Unterwelt hoch verehrt. Mitla war symbolisch als „Ort der Toten“ bekannt und fungierte als Tor zum Jenseits.
Francisco de Burgoa, ein Dominikanermönch und Historiker, beschrieb Mitla als eine Stadt mit einem verborgenen Tempel, unter dem sich ausgedehnte unterirdische Tunnel befanden.
In diesen Tunneln führten die Priester ihr heiligstes Ritual durch: Der Hohepriester führte ein Opfer durch, bei dem er einem Menschen das Herz entnahm, um seine Seele den Gottheiten anzubieten.
Burgoa erwähnte auch eine Steintür, die wachsam bewacht wurde und den Beginn von Liobaas Leben nach dem Tod markierte.
Nach der spanischen Eroberung wurde der Tempel jedoch zerstört und auf seinen Überresten eine Kirche errichtet, um die Einheimischen davon abzuhalten, zu ihren angestammten Zeremonien zurückzukehren.
Jüngste Forschungen des Teams um den Archäologen Marco Vigato stützen alte Überlieferungen: Mittels Bodenradar wurden in rund 30 Metern Tiefe vier Kammern freigelegt, die den von Burgoa beschriebenen Dimensionen entsprechen. Die umfassende Untersuchung des unterirdischen Heiligtums wird allerdings durch die notwendigen Ausgrabungen erschwert, die von der Stadtverwaltung aus Sorge um die historische Integrität des architektonischen Komplexes abgelehnt werden.
Die Archäologen bemühen sich weiterhin, die unterirdischen Gänge genauer zu untersuchen, die vermutlich viel tiefer reichen und aus mehreren Ebenen bestehen. Vigatos Team beabsichtigt, zusätzliche Scan-Geräte einzusetzen, um jegliche Beschädigung der Gebäudestruktur zu vermeiden, doch die Faszination für diese Hohlräume nimmt immer weiter zu.
Möglicherweise wird bald eines der größten Rätsel der Zapoteken und des alten Mesoamerikas gelöst und damit möglicherweise die uralten Legenden einer Unterwelt bestätigt, die unter der Kirche San Pablo Apostle verborgen liegt.