Für Betroffene ist es die Hölle. Für sie wird die Nacht zum Tag, weil ein Brummen sie um den Schlaf bringt. Auch im Landkreis München gehen diese Brummgeräusche vielen auf die Nerven. Die Ursache? Ein Rätsel.
Egal wo, die Schilderungen gleichen sich. Das Brummen beginne meist am späten Abend oder nachts, es fühle sich unangenehm an bis hin zu Vibrationen im Unterleib.
Oft, so erzählen Betroffene, nähmen sie den Brummton als rotierend oder wummernd wahr. Und, ganz wichtig: Das Brummen tritt primär im Inneren von Gebäuden auf, nicht aber im Freien; das haben Verzweifelte festgestellt, die mitten in der Nacht per Fahrrad in ihrem Wohnumfeld nach Geräuschquellen suchten.
„Ungefähr seit dem 28. März“, berichtet Holger Schmidt (alle Namen auf Wunsch geändert; d. Red), „brummt es in der Mitte von Unterföhring. Ich wache jede Nacht davon auf, meist gegen 2 Uhr.“
Im Unterhachinger Wohngebiet Fasanenpark fühlt sich Helga Müller seit Ende Februar gestört. „Neulich habe ich mir Baustellenkopfhörer aufgesetzt und trotzdem das Brummen gehört.
Es ist kein permanenter Brummton, im weitesten Sinne klingt es eher wie eine Biene oder Fliege“, sagte die Unterhachingerin, die dahinter „etwas Motorgetriebenes wie eine Kühlung oder Lüftung“ vermutet. Strom und Heizung hat sie schon ausgeschaltet, das Brummen blieb: „Es ist so penetrant, dass ich es nicht ignorieren und deshalb auch nicht mehr schlafen kann.“
Und im Raum Putzbrunn beschäftigt sich Michael Meyer schon seit 25 Jahren mit dem Brummton-Phänomen – mittlerweile denkt er ans Auswandern: „Dieses Brummen ist eine Geräuschfolter. In der Früh schaue ich manchmal aus wie der Tod.“
Die Suche nach der Quelle des quälenden Brummens gestaltet sich schwierig. Unter der Schlagzeile „Gesundheitsbelastung Wärmepumpe?“ hat der Münchner Merkur im Oktober 2024 im Immobilienteil über die Möglichkeit von Infraschall-Beschwerden berichtet wie Schlafstörungen, Schwindel oder Unruhe.
Infraschall sei für den Menschen „nicht direkt hörbar, wird jedoch über den Körper wahrgenommen, insbesondere über den Magen, Brustkorb und das Innenohr“, hieß es damals. Ein Experte vom Bundesverband Wärmepumpe erläuterte, es sei „nicht auszuschließen, dass es Störungen aufgrund tieffrequenter Geräusche oder Infraschall von Wärmepumpen gibt, in der Praxis scheinen diese Fälle aber sehr selten zu sein“.
Was genau ist Infraschall? Franziska Herr, Pressesprecherin im Landratsamt, verweist auf eine Broschüre des Umweltbundesamts. „Als tieffrequenter Schall“, sagt sie, „werden nach den maßgeblichen Regelwerken Geräusche mit einer Frequenz unter 90 Hertz bezeichnet. Geräusche unter 20 Hertz können von den meisten Menschen nicht mit dem Gehör wahrgenommen werden.
Diesen Bereich bezeichnet man als Infraschall.“ Etwa ein Prozent der Bevölkerung verfüge über „diese besonders feine Wahrnehmung“.
Brummen beeinträchtigt Karriere
Michael Meyer gehört zu diesem einen Prozent. „Diese spezielle Wahrnehmungsfähigkeit wird uns zum Verhängnis“, sagt der Geplagte. Seine Freundin merke nichts, er schon – des Öfteren treibe das Brummen ihn an den Rand des Wahnsinns: „Es ist unerträglich. Manchmal kommt es vor, dass ich mehrere Nächte in Folge nicht schlafen kann, und dann hat mein Körper ein Riesenproblem.“
Die Brummgeräusche hätten ihm „fast mein Leben ruiniert, auf der Karriereleiter jedenfalls hat es mich schon mehrere Jobs gekostet, weil ich in entscheidenden Momenten mangels Schlaf nicht in der Lage war, bei wichtigen Präsentationen ein Auditorium zu begeistern“.
Seit zweieinhalb Jahrzehnten schon ist Meyer dem Brummton auf der Spur, auch im Ausland. Wärmepumpen, Windräder, Klimaanlagen?
Nein, Frequenzmessungen sowie die Analyse von Gelände- und Gebäudestruktur nährten bei ihm den Verdacht, die Ursache könne in Mobilfunkmasten liegen, deren BCCH-Signale würden kontinuierlich 8,33 Hertz aussenden. „Die hört zwar kein Mensch.“ Aber besonders Sensitive spürten sie.
Auch eine Theorie: Tiefe Frequenzen sorgen für Resonanzen und bringen Rohrleitungen in Häusern zum Schwingen. Meyers Forderung: „Ein Feldtest!“
Mobilfunkanbieter sollen nachts, zum Beispiel bei ihm im Raum Putzbrunn, ihre Sendeanlagen in einem Umkreis von fünf Kilometern für 60 Sekunden runterfahren, parallel dazu würden Schallpegelmessungen durchgeführt. Meyers Wunsch: „Die Mobilfunk-Intensität so abdämpfen, dass Nächte erträglich werden.“
Ob darin die Ursache liegt oder woanders: Das Mysterium ist bis heute nicht gelöst, obgleich mittlerweile Universitäten daran forschen und sich auch eine kommerzielle Mess-Industrie entwickelt hat.
Die Mutmaßungen der Gesprächspartner reichen von Geothermie-Rohren in Unterhaching über Mobilfunk in Putzbrunn bis hin zu auch akustisch hörbaren Wärmepumpen und Klimaanlagen im Bereich der Feringastraße in Unterföhring. Brummfrei zu schlafen: Das ist es, was sich letztlich alle Leidenden wünschen.
Infraschall und Tieffrequenz
Aus dem Landratsamt München heißt es, „bislang wurden Beschwerden über Belästigungen durch tieffrequente Immissionen nur punktuell durch Einzelpersonen an den Fachbereich Immissionsschutz herangetragen“. Die Dunkelziffer dürfte, den Schilderungen Betroffener zufolge, allerdings weitaus höher liegen.
Auf unsere Presseanfrage hin schreibt das Landratsamt, wenn ein „begründeter Verdacht auf Belästigungen durch tieffrequente Immissionen vorliegt, nimmt der Fachbereich Immissionsschutz (erforderlichenfalls unterstützt durch das Landesamt für Umwelt oder zugelassene Messinstitute) Messungen auf tieffrequente Immissionen vor“.
Ziel der Ermittlungen sei, „schädliche Umwelteinwirkungen“ nachzuweisen. Die Hör-/Wahrnehmungsschwelle liege bei 20 Hertz, bei tieferen Frequenzen darunter handele es sich um Infraschall, den laut Untersuchungen des Umweltbundesamts etwa ein Prozent der Bevölkerung wahrnehmen können.
Ob diese Menschen den Infraschall tatsächlich hören oder bloß fühlen: Es könne zu Störungen und Belästigungen kommen, bei hohen Pegeln „können verschiedene Organsysteme reagieren“. Wahrnehmbarer Infraschall löse, so das Landratsamt, bei Betroffenen Reaktionen aus: „Von Ermüdung, Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, Benommenheit, Schwingungsgefühl, Abnahme der Atemfrequenz, Beeinträchtigung des Schlafs und erhöhter Morgenmüdigkeit wird berichtet.“
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