Mysteriöse Formen unter dem antarktischen Schelfeis entdeckt

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Massive, tropfenförmige Vertiefungen von bis zu 400 Metern Länge durchziehen die Unterseite des Dotson-Schelfeises in der Antarktis und geben Wissenschaftlern Rätsel auf. Diese Formationen, die bei einer kürzlich durchgeführten Expedition entdeckt wurden, sind anders als alles, was bisher unter den Eisschilden der Erde beobachtet wurde.

Ein autonomes Unterwasserfahrzeug (AUV) kartierte weite Teile der Unterseite des Schelfeises und enthüllte eine Landschaft, die sich herkömmlichen Vorstellungen entzieht. Die in Science Advances veröffentlichten Ergebnisse zeigen eine Unterwasserwelt voller unerklärlicher Strukturen.

Das Dotson-Schelfeis, siebenmal so groß wie New York City, treibt vor der Küste der Westantarktis. Die Ozeanografin Anna Wåhlin von der Universität Göteborg leitete ein Team, das ein autonomes Unterwasserfahrzeug (AUV) mehr als 16 Kilometer unter das Schelfeis schickte. Der Roboter legte über 965 Kilometer zurück und erstellte die bisher detaillierteste Karte der Unterseite eines Schelfeises.

Im westlichen Teil, wo warme Meeresströmungen nach außen fließen, stießen Forscher auf glatte, erodierte Strukturen und seltsame, tropfenförmige Vertiefungen. Diese Vertiefungen, die durchschnittlich 67 Meter breit und 14 Meter tief sind, treten gehäuft im westlichen Teil des Schelfs auf.

Wåhlin erklärte: „Diese tropfenförmigen Strukturen sind der Wissenschaft völlig neu, und ihre Entstehung bleibt ein Rätsel.“

Die tropfenförmigen Eisformationen zeigen alle in dieselbe Richtung, ihre spitzen Enden sind um etwa 45 Grad zur Hauptströmungsrichtung abgewinkelt. Im Verlauf ihrer Bewegung fächern sie sich zu abgerundeten Formen auf, was auf eine unbekannte Kraft hindeutet, die das Eis von unten formt.

Die östlichen und zentralen Regionen, wo die Strömungen langsamer sind, wiesen andere Besonderheiten auf. Weitläufige, flache Terrassen, die von steilen Wänden begrenzt werden, prägen diese Gebiete. Die 200 bis 2000 Meter breiten Terrassen werden durch 0,5 bis 5 Meter hohe Felswände voneinander getrennt. Diese Wände bilden spiralförmige Muster, die sich einer einfachen Erklärung entziehen.

In manchen Gebieten türmen sich die Terrassen übereinander und erzeugen so einen geschichteten Effekt, der auf eine komplexe Geschichte der Eisbildung und -erosion hindeutet. Scharfe, klar definierte Grenzen zwischen den Terrassen lassen auf einen stabilen Prozess schließen, der dauerhafte Spuren im Eis hinterlassen hat.

Das Team entdeckte außerdem massive Brüche im Schelfeis. Es handelt sich dabei nicht um kleine Risse, sondern um riesige Spalten, die sich von oben nach unten erstrecken. Ältere Brüche weisen deutliche Erosionsspuren und eine Erweiterung auf.

Forscher haben verschiedene Theorien zur Erklärung dieser Formationen aufgestellt. Für die tropfenförmigen Vertiefungen vermuten sie, dass die Ekman-Spirale eine Rolle spielen könnte. Dieses Phänomen beruht auf komplexen Wechselwirkungen zwischen Wasserströmungen und der Erdrotation, die zu unerwarteten Bewegungen von Flüssigkeiten führen.

Die Theorie besagt, dass warmes Wasser, das entlang der Unterseite des Schelfeises fließt, auf kleine Störungen wie Risse oder Ablagerungen trifft. Diese Störungen erzeugen Ströme wärmeren Wassers, die sich aufgrund des Ekman-Effekts asymmetrisch ausbreiten. Das Ergebnis: tropfenförmige Bereiche verstärkten Schmelzens, die sich mit zunehmender Ausdehnung immer stärker parallel zur Hauptströmung ausrichten.

Die Terrassenformationen in den östlichen und zentralen Regionen könnten durch periodische Eindringungen wärmeren Oberflächenwassers nahe der Eisfront entstanden sein. Diese Eindringungen könnten deutlich abgegrenzte Schmelzschichten bilden, die die beobachteten flachen Terrassen und steilen Wände formen.

Die Brüche werfen weitere Fragen auf. Zwar bilden sich häufig Risse in Schelfeis, doch das Ausmaß der Erosion und die Verbreiterung einiger Brüche deuten auf eine aktive Warmwasserzirkulation innerhalb dieser Brüche hin. Dies könnte das Auseinanderbrechen des Schelfeises beschleunigen und potenziell zu einem Anstieg des Meeresspiegels führen.

Diese Entdeckungen haben einen erheblichen Einfluss auf unser Verständnis der Stabilität von Schelfeis und des globalen Meeresspiegelanstiegs. Das Dotson-Schelfeis ist Teil des westantarktischen Eisschildes, der genug Wasser enthält, um den globalen Meeresspiegel bei vollständigem Abschmelzen um etwa 3,4 Meter anzuheben. Die komplexen Schmelz- und Erosionsmuster deuten darauf hin, dass die Eisverlustprozesse in der Antarktis komplexer sein könnten als bisher angenommen.

Wåhlin erklärte: „Das Verständnis dafür, wie Eis von unten schmilzt, ist entscheidend, um den antarktischen Eiskreislauf und die Bewegung des Eises vom Kontinent in den Ozean zu begreifen.“

Das Forschungsteam plant, weitere Daten über diese ungewöhnlichen Formationen zu sammeln. Sie beabsichtigen, wiederholte Untersuchungen durchzuführen, um zu beobachten, wie sich die Merkmale im Laufe der Zeit verändern und so Einblicke in die Schmelzraten von Schelfeis und die Entstehungsentwicklung zu gewinnen.

Diese Forschung steht jedoch vor erheblichen Herausforderungen. Die rauen Bedingungen in der Antarktis erschweren kontinuierliche Beobachtungen. Das Team verlor sein autonomes Unterwasserfahrzeug (AUV) während einer Folgemission im Januar 2024, was die mit dieser Expedition verbundenen Risiken verdeutlicht.

Die Entdeckungen am Dotson-Schelfeis werfen neue Fragen über die verborgenen Landschaften der Antarktis auf. Welche anderen ungewöhnlichen Formationen könnten sich unter anderen Schelfeisgebieten verbergen? Wie beeinflussen diese bizarren Strukturen die Stabilität des Kontinentaleises? Was können sie über die Klimageschichte der Erde verraten?

Wåhlin und ihr Team setzen ihre Arbeit fort und trotzen den extremen Bedingungen der Antarktis, um diese eisigen Geheimnisse zu entschlüsseln. Ihre Erkenntnisse erweitern nicht nur das wissenschaftliche Verständnis, sondern enthüllen auch unerwartete Phänomene, die in den extremsten Umgebungen der Erde existieren.

Die vollständige Studie finden Sie hier: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adn9188

Mehr über gefälschte und echte Anomalien lesen Sie im Buch „Antarktis: Hinter der Eiswand„.

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