In den „Phlegräischen Feldern“ nahe von Neapel hat schon wieder die Erde gebebt. In der Region herrscht seit Wochen starke seismische Aktivität. Das nährt die Sorge vor einem möglicherweise bevorstehenden Vulkanausbruch.
Zum wiederholten Mal hat ein Erdbeben die Region um Neapel in Süditalien erschüttert. Der Erdstoß der Stärke 4,0 ereignete sich am Montagabend in den Phlegräischen Feldern nahe der Stadt Pozzuoli.
(Titelbild: Am 02. Oktober bebte es um 20:06:26 UTC erneut unter dem süditalienischen Calderavulkan Campi Flegrei: Das Erdbeben hatte eine Magnitude von 4,0 und ein Hypozentrum in 2,6 km Tiefe. Damit war es das zweitstärkste Erdbeben seit beginn der aktuellen Hebungsphase. Das Epizentrum befand sich etwas nordöstlich des Solfatara-Kraters und nicht weit entfernt von der Pisciarelli-Fumarole, die als besonders heiß und aktiv gilt)
Aktive Vulkanregion nahe des Vesuvs
Dabei handelt es sich um eine riesige, aktive Vulkanregion westlich des Vesuvs. Die Phlegräischen Felder gelten zudem als Supervulkan. Solche Vulkane bilden keine Feuerberge, sondern hinterlassen nach großen Eruptionen ein gewaltiges Loch, eine sogenannte Caldera, an der Erdoberfläche.
Solche Calderen bilden sich, wenn sich eine Magmakammer weitgehend entleert hat und der dabei entstandene Hohlraum unter dem Gewicht des Deckgesteins einstürzt. Der Durchmesser der Caldera der Phlegräischen Felder beträgt rund 13 Kilometer. Sie liegt zu zwei Dritteln unter Wasser. Innerhalb dieses Gebietes finden sich rund 50 Krater kleinerer Eruptionen.
In jüngster Zeit kam es im Gebiet um Pozzuoli, etwa 15 Kilometer von Neapel entfernt, vermehrt zu Erdstößen mit Magnituden von 3 und mehr. Erst vergangenen Mittwoch ereignete sich ein Beben der Stärke 4,2. Diese Erdbeben sind bis nach Neapel spürbar.
Zudem wölbt sich der Boden an verschiedenen Stellen in der Region seit Jahren immer weiter auf. Deshalb gilt für das Gebiet seit 2011 die Warnstufe Gelb, die zu erhöhter Vorsicht mahnt. Die Region wird von Vulkanologen engmaschig überwacht.
Wegen der in letzter Zeit immer häufiger wahrnehmbaren Erdbeben wächst bei Menschen im Großraum Neapel die Sorge vor einem möglicherweise bevorstehenden Vulkanausbruch.
Vulkanologe erklärt das Heben und Senken des Bodens
Was das Heben und Senken des Bodens im Bereich der Phlegräischen Felder bedeutet, erklärt der Vulkanologe Giuseppe Di Natale:
Die zunehmende Hebung des Bodens deutet auf einen immer höheren inneren Druck unter der Erde hin, der zu immer stärkeren und häufigeren Erdbeben führt.
Steigt der Druck weiter, kann er früher oder später von den Gesteinen an der Erdoberfläche nicht mehr getragen werden. Es besteht die Gefahr einer Eruption.
Da die Widerstandsgrenze der Gesteine in den obersten drei Kilometern derzeit unbekannt ist, lässt sich das Risiko einer Eruption nicht abschätzen.
Bisher haben die Forscher das Auf und Ab der Phlegräischen Felder auf unterirdische Magmabewegungen zurückgeführt. Wenn Magma aus den tieferen Schichten des Erdinneren unter Pozzuoli aufsteigt, beginnt sich das ganze Gebiet zu heben. Nimmt der Druck des Magmas ab, bildet sich auch die Aufwölbung an der Erdoberfläche zurück und das betroffene Areal sinkt wieder ab.
Neuere Untersuchungen gehen jedoch davon aus, dass nicht aufsteigendes Magma, sondern vor allem Ausdehnungsprozesse im sogenannten „hydrothermalen System“ des Deckgesteins Ursache der aktuellen Erdbewegungen sind. Danach führt die Erhitzung von im Gestein eingeschlossenen und dort verdampfenden Flüssigkeiten, zumeist Wasser, zu steigendem Gasdruck.
Wird dieser zu groß, bricht das Gestein und die Erde bebt. So bahnen sich die unter Druck stehenden Flüssigkeiten und Gase nach und nach einen Weg zur Oberfläche, wo sie austreten und so den Druck entlasten können, ohne dass dabei zwingend auch ein Ausbruch von Magma stattfinden muss. Aber auch Wasserdampferuptionen wären keineswegs ungefährlich.
Druck so stark wie seit Jahrhunderten nicht mehr
Schon im Jahr 1983 war die Aufregung in Pozzuoli groß, als sich die Erde dort um mehr als einen Meter hob. Dieser Zustand hielt mehrere Monate an.
Er war von Erdbeben begleitet, die zu erheblichen Schäden im Mauerwerk der alten Wohnhäuser im Hafenviertel der Stadt führten. Mehr als 30.000 Menschen mussten damals für mehrere Wochen ihre Wohnungen verlassen, bis sich die Erde wieder beruhigt hatte.
„Heute ist der Bodenspiegel so hoch wie nie zuvor in den letzten Jahrhunderten. Das bedeutet, dass der Innendruck so stark ist wie seit dem letzten Vulkanausbruch des Jahres 1538 nicht mehr“, erklärt Experte Di Natale.
Auch die derzeitige Hebung des Untergrundes kann bis zu einem Punkt führen, an dem die Gesteinsschichten den aufbrechenden Kräften nicht mehr standhalten. Im schlimmsten Fall könnte dann eine plötzliche Druckentlastung tatsächlich auch zu einem Vulkanausbruch führen.
Umfangreicher Evakuierungsplan
Der italienische Zivilschutz arbeitet deshalb an einem groß angelegten Evakuierungsplan für die dicht besiedelte Region rund um Neapel. Dieser sieht für den Extremfall die Evakuierung von 1,3 Millionen Menschen innerhalb von 72 Stunden im Gebiet um Neapel vor, der größten Metropole Süditaliens.
Die Evakuierung würde vom Heer und dem Zivilschutz koordiniert werden. Binnen drei Tagen sollte dann die Bevölkerung der gesamten Region mit Bahn, Bus und Autos in Sicherheit gebracht werden.