Die griechischen Mythologie kennt eine Menge seltsamer Gerätschaften: künstliche Vögel, sprechende Statuen und dreifüßige Diener. Schmiedegott Hephaistos schuf selbstfahrende Fahrzeuge und Androiden.
Ähnliche Legenden sind auch aus anderen frühen Kulturen bekannt, besonders aus Indien und China. Es ist schwer, zwischen Mythos und Wahrheit zu unterscheiden. Die Götter und ihre fortschrittliche Technologie beschäftigt bis heute die Wissenschaft.
In der Illias, die vermutlich aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. stammt, heißt es über Hephaistos, Sohn des obersten olympischen Gotts Zeus und seiner Gattin Hera:
„Eifrig am Werk, denn Dreifüße schuf er, zwanzig im Ganzen, rings um die Wand sie zu stellen im wohlerbauten Gemache. Goldene Räder befestigte jedem er unten am Boden, dass sie von selbst liefen hinein in der Götter Versammlung, um dann wieder nach Hause zu kehren, ein Wunder zu schauen. Diese waren so weit vollendet, und nur noch die Ohren fehlten, die kunstvollen; diese bereitend schlug er die Bände.“
Waren die Dreifüße antike Roboter, die sich eigenständig bewegen konnten? Einen entscheidenden Hinweis liefert der Verfasser selbst, indem er das Adjektiv „automatos“ verwendet.
Auch in Philostratos von Lemnos Werk Das Leben des Apollonios von Tyana, das sich mit dem Leben und Wirken des umstrittenen Magier und Weisheitslehrers Appollonios von Tyana (4 v. Chr.-96 n. Chr.) beschäftigt, ist von Dreifüßen die Rede.
Lemnos, der sich auf die Aufzeichnungen von Appolonios Jünger Damis von Ninos bezog, schreibt, dass Damis und Appolonios in einer geheimnisvollen indischen Stadt zu Tisch saßen und von frei umherwandelnden metallenen Dreifüßen bedient wurden.
An einer anderen Stelle dieses Werkes werden dann noch antike Wunderwaffen beschrieben, mit deren Hilfe jene besagte Stadt, in der Damis und Appolonios dinierten, verteidigt wurde. Wörtlich heißt es:
„Die wahren Weisen wohnen zwischen Hyphrais und Ganges. Dieses Gebiet hat Alexander nie betreten, nicht etwa weil er Angst hatte, sondern weil ihn die Opfer, wie ich glaube, davon abhielten. Hätte der jedoch über den Hyphasis gesetzt und das sie umgebende Land einnehmen können, so wäre er doch nicht imstande gewesen, die Burg, welche jene bewohnen, zu erstürmen, auch wenn er zehntausend Soldaten wie Achilleus und dreißigtausend wie Aias mit sich geführt hätte.
Denn die Weisen kämpfen nicht in Schlachten gegen den anziehenden Feind, sondern als heilige, von den Göttern geliebte Männer werfen sie mit Wunderzeichen und Blitzstrahlen zurück. So wird überliefert, dass auch der ägyptische Herakles und der Dionysios bei ihrem bewaffneten Zuge durch das indische Volk gegen die Weisen ausrückten und dabei Kriegsmaschinen verwendeten und durch einen Handstreich den Platz zu erobern suchten.
Jene aber, so heißt es, griffen nicht zur Gegenwehr, sondern blieben, wie es den Angreifern vorkam, ruhig. Als beide Helden jedoch näher rückten, wurden sie von Donner und Blitz zurückgeworfen, welche von oben herab geschleudert in die Waffen einschlugen.“
Einer der bekanntesten Vertreter von Blitz und Donner der Antike ist Zeus, der oberste olympische Gott der griechischen Mythologie – mächtiger als alle anderen griechischen Götter. Zu seinen Erkennungsmerkmalen gehörte der Donnerkeil, mit denen er Blitz schleuderte, wenn er vom Zorn ergriffen war. Auch dieses wundersame Gerät stammt aus der unterirdischen Schmiede Hephaistos.
Zu seinen wohl bis heute bedeutendsten Schmiedewerken gehört der bronzene Riese von Talos, der stählerne Wächter von Kreta, der unverwundbare. Er hatte nur einen Schwachpunkt – die Fessel um seinen Knöchel. In ihm steckte ein geheimnisvoller bronzener Nagel, der nur mit einer dünnen Hautschicht bedeckt war.
Hinter der Haut verbarg sich eine Vene, durch die das Ichor, das Blut der Unsterblichkeit der Götter, zirkulierte. Die Arterie durchzog wie ein dicker Schlauch seinen gesamten Corpus vom Hals bis zu jenem Knöchel, wo sie durch den Nagel verstopft war, der am Ausbluten hinderte.
Talos, der stählerne Wächter von Kreta
Talos, der in der Melidoni-Höhle lebte, war nicht nur der Beschützer Kretas, sondern er überbrachte auch den Bewohnern die Gesetze von König Minos. Täglich umkreiste der stählerne Riese die Insel und peilte mit seinen magischen Augen die Schiffe an, die sich der Insel näherten.
Auch in Apollonios Epos Argonautika, das im 3. Jahrhundert v. Chr. entstand, wird Talos als technologisches Produkt beschrieben. Als bronzenes, programmiertes Automaton, was aus dem altgriechischen übersetzt eigene Bewegung heißt.
In der Argonautika sind Iason und die Argonauten mitsamt dem Goldenen Vlieses auf der Heimfahrt. Ihr Schiff, die Argo, wird schließlich Opfer einer Flaute. Erschöpft vom unermüdlichen Rudern steuern die Argonauten eine geschützte Bucht zwischen zwei hohen Klippen auf Kreta an. Talos entdeckt die Eindringlinge schon von Weitem. Sogleich bricht er riesige Felsen von der Klippe und wirft sie in Richtung der Argo.
Furchtergriffen versuchen die Seefahrer dem bronzenen Ungetüm zu entkommen. Schließlich hat die mit an Bord der Argo befindliche Zauberin und Hexe Medea (medeia = gerissen) einen Plan. Sie beschwor die Geister und veranlasst sie dazu, Talos Trugbilder vorzugaukeln. Sie ruft: „Wartet! Auch wenn Talos Körper aus Bronze ist, wissen wir nicht, ob er unsterblich ist. Ich glaube, ich kann ihn besiegen.“ Sie wird Talos mit einem Schlag vernichten.
In der Argonatica setzt Medea dazu ihr besonderes Wissen ein, Nur sie scheint die Physiologie des Roboters zu kennen, weil sie weiß, dass Schmiedegott Hephaistos Talos mit nur einer einzigen Arterie versehen hat, durch die das Lebenslexeier der Götter strömt, die am Knöchel mit einem Nagel verschlossen wurde.
Es kommt zu einem heroischen Duell zwischen der gerissenen Hexe und dem schrecklichen Roboter. Sie murmelt unverständliches Zeug und fixiert mit einem durchdringenden Blick Talos Augen. Die unheilvolle Macht der Telepathie zeigt bald darauf Wirkung.
Talos verliert die Orientierung und stolpert, als er versucht, einen weiteren Findling aufzunehmen, um ihn auf die Argo zu schleudern. Ein scharfkantiger Felsen schlägt eine tiefe Kerbe in seine Fessel und verletzt seine einzige lebenswichtige Ader. Talos verliert das Gleichgewicht und stürzt mit lautem Donnergetöse ins Meer. In einer der unzähligen Buchten an Kretas Küste rostet der antike Androide vermutlich noch heute vor sich hin.
Künstliche Intelligenz fasziniert die Menschheit seit dem frühen 19. Jahrhundert in Kunst und Wissenschaft gleichermaßen. Das weiß auch die US amerikanische Wissenschaftshistorikerin Adrienne Mayor.
In ihrem 2018 erschienen Werk Gods and Robots: Mythen, Machines, and Ancient beschäftigt sich Mayor ausführlich mit der griechischen Mythologie. Sie schreibt, dass Künstliche Intelligenz und Roboter schon von den griechischen Schriftstellern Hesiod und Homer thematisiert wurden, die zwischen 750 und 650 v. Chr. lebten und wirkten. In Wahrheit aber sind die Mythen ein Spiegel unserer Gegenwart.
Zu allen Zeiten schon hat die Phantasie Mythos und Wissenschaft miteinander verbunden. Viele Wissenschaftshistoriker glauben, dass antike Mythen über künstliches Leben im Grunde nur leblose Materie ist, die erst durch einen Gott oder am Ende sogar einer ganzen Heerschar von Göttern zum Leben erweckt wurde. Der britische Schriftsteller Arthur C. Clarke sagte einmal: „Je fortschrittlicher die Technologie, desto magischer scheint sie.“
Eine Reihe von Wissenschaftlern behauptet, dass das menschliche Gehirn eine Blackbox ist, auf die die Realität in Form eines Programms abgespeichert wurde. Trifft das tatsächlich zu, würde das bedeuten, dass die Menschheit selbst schon eine Form künstlicher Intelligenz ist.
Künstliche Intelligenz ist schon jetzt dazu in der Lage, ohne Eingabe von Befehlen Datenmengen zu sammeln, auszuwählen und zu interpretieren, ohne das die Urheber der Schöpfung diese verstehen. Wurde der Grundstein der künstlichen Intelligenz schon vor mehr als 2000 Jahren im antiken Griechenland gelegt?
Wie wir wissen, war Hephaistos ein ausgesprochen begabter und talentierter Meister, der sein Handwerk verstand. Es wird angenommen, dass er eine große Auswahl an Werkzeugen herstellte, die allesamt von Göttern verwendet wurden – darunter die geflügelten Sandalen des Götterboten Hermes und wie in der Illias zu lesen, sogar weibliche Androiden:
„Humpelnd ging er zur Tür hinaus, und goldene Mägde stützten den Herrn von unten; sie glichen lebendigen Mädchen. Denn sie haben Verstand im Inneren und haben auch Stimmen und auch Kraft und lernten von ewigen Göttern die Werke. Und sie keuchten als Stütze des Herrn, der humpelte aber hin, wo Thetis war […].“
Adrienne Mayor schreibt, dass alle Androiden im Olymp eigentlich harmlos waren – aber in dem Moment, wo sie die Erde betraten, wurden sie zum Ursprung schrecklichen Unglücks.
Der mit Abstand berühmteste weibliche Android aus der Schmiede Hephaistos ist Pandora. Laut Hesiod wurde der Schmiedegott von seinem Vater damit beauftragt, aus Wasser und Erde als ersten weiblichen Menschen ein wunderschönes Ebenbild der Göttinnen zu erschaffen.
Der Mythos wurde zum ersten Mal im 8. oder 7. Jahrhundert v. Chr. aufgezeichnet in der Theogonie und in Werke und Tage, die Hesiod und Böotien zugeschrieben werden.
Zeus Strafe an die sterbliche Menschheit sollte in wohlverpackt in Form eines Geschenks daherkommen. Hephaistos schuf ein Scheinbild in Gestalt einer künstlichen Frau, eine Venusfalle würde man heute sagen.
Die schöne Athena und weitere Götter trugen im Wesentlichen zur Entstehung bei. Und auch der Name Pandora ist kein Zufall, denn er bedeutet Allgebende oder Allbegabte.
Pandora wird samt ihrer mit ruchlosen Gaben in Gestalt böser Geister gefüllten Büchse zur Erde geschickt und bald darauf zur Quelle aller Missgeschicke und Sorgen, die die Sterblichen von nun an quälen.
In Wahrheit aber symbolisiert die Büchse der Pandora nur das Unbekannte, das Reizvolle – vor allem die Neugier, die wie die bösen Geist in Pandoras Büchse auch in einem jeden von uns stecken.
Symbolisiert am Ende der Mythos der Pandora unser eigenes Leben, das uns zuweilen auch wie ein unbekannter Geist erscheint, eingeschlossen in Pandoras mystischer Büchse, die wir jeden Tag aufs Neue offenen, um unseren eigenen Geist daraus zu entlassen, den wir Alltag nennen und der uns Tag ein Tag aus in die Weite des uns Unbekannten führt? Es ist unser Leben, es ist unsere Zukunft
Die Geister, die sich jedem Neugierigen entgegenstellen, der die unheimliche Büchse öffnet, sind multipel. Niemand weiß, ob die Geister gut, schlecht oder neutral sind.
Am Ende des Mythos verschmelzen Pandora und die Hoffnung zu einem schönen Übel, einer verführerischen Falle, die verlockend ist, während sie insgeheim eine potentielle Katastrophe verbirgt. Es bleibt uns in der Tat selbst überlassen, wie wir die Geister bewerten.
Die Büchse der Pandora ist mehr als nur ein Mythos. Auch nach mehr als 2000 Jahren hat er weder an Glanz noch an Aktualität verloren. Und das hat einen einzigen guten Grund.
Unsere Zukunft steht in der Vergangenheit
Wir hoffen immer nur auf das Beste für uns selbst und natürlich für den Rest der Welt – dabei verlieren wir allzu oft unseren eigenen Kompass aus den Augen. Wir rennen blind in unser eigenes Verderben, weil wir noch immer die Blinden unter den Suchenden sind, ohne dass wir das merken und uns dessen Tatsache bewusst sind.
Die gesamte Menschheit hat nichts aus ihrer unheilvollen Geschichte gelernt. Sie wiederholt dieselben alten Fehler immer wieder aufs Neue. Die gesamte antike Mythologie ist voll mit tyrannischen Herrschern, die Künstliche Intelligenz gegen die sterbliche Bevölkerung einsetzen, um sie zu kontrollieren.
Die antike Mythologie ist nichts anderes als ein Spiegelbild unserer Gegenwart, weil sich die Menschen seit mehr als 2000 Jahren im Kreis bewegen und immer wieder in die Gruben fallen, sich die Nase blutig schlagen und nach einem Erlöser schreien, der in Wahrheit in ihnen selbst steckt. Nur wer seine Fehler erkennt und sie nicht wiederholt, kann erlöst werden aus dem Übel.
Menschen, die nicht aus Fehlern lernen, werden niemals erlöst werden – da hilft auch noch so viel Hoffnung nichts. Aus Fehlern lernen heißt, sich weiter entwickeln und aufzusteigen im eigenen Bewusstsein. Das ist die Erlösung, auf die die Menschheit seit mehr als 2000 Jahren wartet.
Zeus, Vater aller Götter, war ein schrecklicher Tyrann, der sich insgeheim freute, wenn die Menschen in seine Fallen tappen. Zeus ist also nichts anderes als die mythische Personifizierung unserer Weltherrscher, die wir gerne Eliten nennen.
Wie wir sehen, war die Menschheit auch schon in der Antike blind auf dem Auge der Freiheit, sonst hätte sie irgendwann einmal erkannt, dass es nur eine Wahl im Leben gibt: nämlich die zwischen Freiheit und Regierung.
Pandora, die schöne Androidin mit dem Aussehen einer attraktiven wie unschuldigen Jungfrau symbolisiert nichts anderes die Verführung, die von Göttern gelenkt und programmiert werden, der wir täglichen ausgesetzt sind und der wir allzu oft erliegen, weil sie so verlockend ist. Ein Adam und Eva Pendant.
Die Götter von einst sind die Weltherrscher von heute, die uns täglich aufs Neue der Verführung aussetzen, um Macht und Kontrolle zu behalten. Und täglich lockt uns Pandora in anmutender Schönheit mit der Kraft der Verführung.
Der französische Schriftsteller André Malraux sagte einmal: Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern.
https://www.youtube.com/watch?v=Q_ZHiKKog28
Ein Moloch, in dessen Bauch sich eine Metallschmelze befand, in welcher Kinder geopftert worden.
Das passt ja zur Hypothese, dass es „Zeit“ (Tage, Stunden, Jahre) nicht gibt, dass alles im “ Jetzt“ passiert.