Die Symptome des „Alien-Hand-Syndroms“ erinneren an Szenen aus einem Horrorfilm. Doch, wenn auch sehr selten, gibt es die Krankheit wirklich.
Seit ihrem Schlaganfall litt die Patientin des Neurologen Kurt Goldstein an einer eigenartigen Krankheit: Ihre Hand, so schien es, hatte einen eigenen Willen entwickelt. Unentwegt machte sie Bewegungen, die die Patientin nicht kontrollieren konnte, griff nach Gegenständen, die es nicht gab, fuchtelte, zappelte, flatterte in der Luft herum.
Dann, eines Tages, fuhr sie ihrer Besitzerin an die Gurgel und packte zu. Derart fest drückte sie, dass zwei Männer sie losreißen mussten, um die Frau vor dem Ersticken zu retten.
1908 veröffentlichte Kurt Goldstein einen Bericht über den Fall der unkontrollierbaren Hand. Seine Entdeckung sollte später auf den Namen „Fremde-Hand-“, „Geisterhand-“ oder „Alien-Hand-Syndrom“ (AHS) getauft werden.
Das Alien-Hand-Syndrom ist ausgesprochen selten, gerade mal 50 Fälle verzeichnet die Fachliteratur. Darunter: Berichte von Geisterhänden, die Ohrfeigen austeilen, an ihrem Besitzer oder an Fremden herum zupfen.
Oftmals liefert sich die wild gewordene Hand Machtkämpfe mit der zweiten, kontrollierten, nimmt ihrem Gegenspieler den Telefonhörer weg oder die Gabel, die sie gerade zum Mund führen wollte.
Abgeschnitten vom Informationsfluss des Gehirns
Auslöser der Störung ist meist eine Verletzung des Gehirns, aber auch Hirntumore und Schlaganfälle können sie verursachen. Im Fall der meisten Patienten ist das „Corpus callosum“ beschädigt, so heißt der schmale Verbindungsbalken zwischen rechter und linker Gehirnhälfte.
Der Balken ist zuständig für den Informationsaustausch der beiden Hirnteile. Die Folge der Unterbrechung: Plötzlich steuert nur noch eine der Gehirnhälften eine der Hände. Da die Hirnteile aber jeweils für bestimmte Denkprozesse zuständig sind, kann das dazu führen, dass die Hand bestimmte Signale nicht mehr erhält.
Ist zum Beispiel die linke Hand von der linken Hirnhälfte abgeschnitten – wo das logische, analytische Denken und die Feinmotorik sitzen – verhält sie sich plötzlich aufmüpfig, grob, fast wie ein ungezogenes Kind. In selteneren Fällen ist der „Frontallappen“ des Alien-Hand-Patienten beschädigt, dort findet die Planung von Bewegungen statt.
Therapien für die Geisterhandkrankheit gibt es nicht. Manchen Patienten gelingt es aber, die Unruhestifterin zeitweise auszutricksen, indem sie ihr etwas geben, mit dem sie sich beschäftigen kann, ein Jojo oder einen Bleistift zum Beispiel.
In schweren Fällen helfen nur drastische Disziplinierungsmaßnahmen. Die Betroffenen binden ihre Hand dann auf den Rücken, damit etwas Ruhe einkehrt. Einen Hoffnungsschimmer immerhin gibt es für die Patienten: In vielen Fällen bilden sich die Symptome mit der Zeit zurück, der Störenfried gibt Ruhe.