Tief unter Berlin liegt ein uralter und äußerst mächtiger Vulkan. Er ähnelt jenen, die regelmäßig auf Hawaii ausbrechen.
Es passiert immer wieder: Erst erschüttern Hunderte Erdstöße die Region, dann reißen am Kilauea auf Hawaii Spalten auf. Aus den Poren des Berges dringen Tausende Tonnen Schwefeldioxid, und heiße Lava spritzt hervor.
Routiniert setzt dann das Hawaiian Volcano Observatory die Alarmstufe für den Flugverkehr auf Rot herauf, kurz darauf kehrt erst einmal wieder Ruhe ein.
Berlin hatte einen Schildvulkan wie auf Hawaii
Bis zum nächsten Ausbruch: Der Kilauea zählt zu den aktivsten Vulkanen der Welt. Meist verlaufen die Ausbrüche glimpflich, manchmal aber auch nicht: 2018 zum Beispiel schossen Eruptionsfontänen plötzlich kilometerweit in den Himmel, Lavaströme zerstörten tausende Gebäude.
Wie auch der benachbarte und ebenfalls noch aktive Mauna Loa ist der Kilauea ein sogenannter Schildvulkan – und vermittelt einen Eindruck davon, wie es einmal auf dem Gebiet des heutigen Berlin ausgesehen haben muss. Denn dort, wo heute das Leben auf den Straßen der deutschen Hauptstadt pulsiert, floss früher regelmäßig Lava die Hänge eines riesigen Schildvulkans hinab.
„Es dampfte und zischte, und häufig schossen glühende Fontänen aus den Vulkankegeln, begleitet vom dumpfen Grollen der sich zu Tal schiebenden Lavaströme“, beschreibt der Geologe Werner Stackebrandt die damalige Szenerie in seinem Buch „Mehr als nur ‚die Streusandbüchse'“ zur Erdgeschichte Brandenburgs.
Krater in Pankow und Erkner, Lava bis Potsdam
Dass es diesen Vulkan gab, ist seit Jahrzehnten bekannt. DDR-Forscher hatten nach Bodenschätzen gesucht und waren bei ihren Bohrungen in einer Tiefe von etwa 4.000 Metern auf den Koloss gestoßen. An einer Stelle konnten die rund 100 Schichten des Vulkans sogar komplett durchstoßen werden. Im Bohrkern- und Probenarchiv in Wünsdorf (Landkreis Teltow-Fläming) lagert eine zehn Zentimeter dicke Gesteinsprobe des Vulkans.
Dank der Bohrungen lassen sich auch die Ausmaße des Ungetüms abschätzen. Der Gipfel ragte laut Stackebrandt, der bis 2004 Direktor des brandenburgischen Landesamtes für Geowissenschaften und Rohstoffe war, früher rund 2.000 Meter in die Höhe. Der Hauptkraterkessel befand sich dort, wo heute Pankow ist, und hatte einen Durchmesser von zwei Kilometern. Im Raum Erkner war ein Nebenkrater.
Die Flanken des eher flachen Vulkans reichten Stackebrandt zufolge bis nach Potsdam. Die Dimensionen dürften demnach ungefähr denen der heutigen Kanareninsel La Palma entsprochen haben.
Berliner Vulkan war „hochaktiv“
Das ist allerdings schon rund 295 Millionen Jahre her. Damals wuchs auf dem Riesenkontinent Pangaea das Variszische Gebirge in die Höhe. Von unten drängte Magma nach oben.
Laut Stackebrandt war der Berliner Vulkan „hochaktiv“. Er habe aber keine riesigen Glutwolken ausgespuckt, sondern habe sich als „so eher mehr Hawaii-Typ“ durch relativ langsames und gleichmäßiges Ausströmen der verhältnismäßig dünnflüssigen Lava ausgezeichnet. Der Vulkan sei praktisch einfach „ausgelaufen“, sagte Stackebrandt dem Sender rbb 88.8.
Im Unterschied dazu schoss in anderen Vulkanen in der Umgebung sehr zähes Magma bei gewaltigen Explosionen an die Oberfläche. Auf diese Weise entstanden sogenannte spitzkegelige Stratovulkane unter anderem in der Altmark bei Magdeburg oder in der Uckermark östlich von Prenzlau.
Vom Berliner Vulkan sei „nichts mehr zu erwarten“
Dann senkte sich das Norddeutsche Becken ab und die Vulkane verschwanden wieder. Heute überdeckt sie eine Tausende Meter dicke Sedimentschicht. Aber ist es zumindest theoretisch trotzdem möglich, dass der Berliner Vulkan dort unten eines Tages wieder aufwacht, von erneuten Plattenbewegungen nach oben geschoben wird und noch einmal loslegt wie seine hawaiianischen Geschwister?
Wohl kaum, sagt der Vulkanologe Torsten Dahm, Seismologe am Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam: „Der schläft nicht“, erklärte er der „Berliner Zeitung“. „Der ist tot.“ Sein Fazit: Vom Berliner Vulkan sei „nichts mehr zu erwarten“.
Wenn das mal stimmt…
Tausend Meter mächtig. Unter #Pankow liegt die #Caldera eines (keine Sorge: längst toten) Schild-#Vulkan 🌋.
Spannender Beitrag über die #Geologie im Untergrund von #Berlin und #Brandenburg:https://t.co/oRcWedyrSV via @berlinerzeitung pic.twitter.com/R4G6ATFp2d
— Jens Notroff (@jens2go) January 2, 2020