
Im Sommer 2003 beschloss eine Gruppe der Hawaii Remote Viewers’ Guild (HRVG), die Grenzen des menschlichen Bewusstseins zu testen. Sie nannten das Experiment schlicht: Die Nachrichten von morgen heute.
Sie wollten herausfinden, ob es möglich ist, ein bevorstehendes Ereignis wahrzunehmen. Nicht intuitiv, nicht zufällig, sondern präzise – nach einem klaren, lange im Voraus schriftlich festgehaltenen und versiegelten Protokoll.
So funktionierte das Experiment: Ende Juni erhielt der Hauptteilnehmer eine Aufgabe mit dem Code S1J2-E9N2. Niemand sagte ihm, worum es gehen würde. Er wurde lediglich gebeten, seine Eindrücke von der wichtigsten Nachricht, die am 13. Juli 2003 in den ABC-Nachrichten „World News Tonight“ ausgestrahlt werden sollte, zu beschreiben und zu zeichnen.
Der Hauptteilnehmer versank in tiefes Schweigen und begann, die Bilder zu zeichnen, die in seinem Kopf erschienen. Auf dem Papier erschienen mehrere Skizzen: ein Mann an einem Tresen, Menschenreihen als Publikum, ein erhöhtes Rednerpult, ein Redner. Auch der Name „Stefan“ tauchte in den Notizen auf.
Die fertigen Zeichnungen wurden in einen Umschlag gesteckt, von einem unabhängigen Zeugen unterschrieben und abgeschickt. Der Umschlag trug ein deutliches Aufgabedatum – ein Beweis dafür, dass alles vor dem Ereignis entstanden war.
Der Tag, an dem der Umschlag geöffnet wurde
Als am 13. Juli die Abendnachrichten liefen, gab es nur ein Thema: Präsident George W. Bush und die sogenannten „16 Worte“ über Uran aus Niger, die eine Welle politischer Kontroversen ausgelöst hatten.
Auf dem Fernsehbildschirm war ein Mann an einem Schreibtisch zu sehen, vor ihm ein Publikum. Ausschnitte aus Reden, Pressekonferenzen und der Präsident auf einem Podium. Der Kommentar stammte von dem bekannten Analysten George Stephanopoulos.
Als HRVG den versiegelten Umschlag öffnete und die Zeichnungen neben das Fernsehbild legte, war die Überraschung groß. Die Bilder und Gefühle, die der Zuschauer Wochen zuvor aufgenommen hatte, deckten sich mit den zentralen visuellen Elementen der damaligen Berichterstattung.
Was sie beweisen wollten
Das Experiment sollte nicht belegen, dass jemand wie in einem Film „die Zukunft gesehen“ hatte. Vielmehr wollte HRVG testen, ob der menschliche Geist ein Informationsfeld durchdringen kann, das die lineare Zeit transzendiert.
Ihrer Interpretation zufolge kann das Bewusstsein in einem bestimmten Zustand – zwischen Alpha- und Theta-Wellen – Daten nicht nur aus dem Raum, sondern auch aus zukünftigen Zeitpunkten abrufen.
Alles wurde nach ihren strengen Regeln durchgeführt: Blindaufgaben, präzise Dokumentation, Datumsnachweis und ein unabhängiger Zeuge. Kritiker bemängelten, die Symbolik des „Mannes am Schalter“ sei zu allgemein. HRVG beharrte jedoch darauf, dass dies in Verbindung mit dem genauen Datum, dem Poststempel und dem spezifischen Fernsehereignis mehr als nur ein Zufall sei.
Das Vermächtnis des Hawaii-Experiments
„Tomorrow’s News Today“ ist bis heute das bekannteste und am besten dokumentierte Projekt der HRVG. Fotos des Umschlags, der Briefmarke, der Unterschrift des Zeugen und einzelner Skizzen sind auf ihrer Website zu finden.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist es eine Kuriosität – faszinierend, wenn auch noch immer umstritten. Aus psychologischer Sicht des Bewusstseins stellt es jedoch eine Herausforderung dar, die über die Grenzen des konventionellen Denkens hinausgeht: Ist Zeit wirklich eine feste Linie oder vielmehr ein Raum, der aus einer anderen Perspektive betrachtet werden kann?
Auf Hawaii, zwischen Palmen und der Stille des Ozeans, versuchten einige Menschen, über den Horizont der Zeit hinauszublicken.
Es mag kein Beweis gewesen sein, aber es war vielleicht der erste Einblick, dass Information – wie Licht – niemals wirklich verschwindet. Sie wartet nur darauf, eingefangen zu werden.







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