Archäologen des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo fanden unlängst Zusammenhänge von Prozessionsstraßen und “Seelenwegen” mit der mythologischen Landschaft in Oberägypten.
Diese ähneln der grundlegenden mythologischen Landschaft der Ming-Gräber Chinas mit Geisterstraßen und den Ahnenräumen in den Bergen. So wird eine ähnliche archetypisch-mythologische Haltung des Menschen dem Tod gegenüber offenbar, die sich auch in den geomantischen Beziehungen von Tempelanlagen, Gräbern und deren Ortswahl offenbart.
Etwa 160 Kilometer nördlich der Stadt Luxor in Oberägypten liegt Abydos. Hier finden sich zahlreiche gut erhaltene Tempelanlagen. Die bedeutsamste von ihnen war Osiris, dem ägyptischen Totengott geweiht.
Dem ägyptischen Mythos nach wurde Osiris von Seth getötet und zerstückelt, damit sein Körper im Jenseits nicht wiederbelebt werden könne. Doch Isis fand die Körperteile von Osiris, setzte sie wieder zusammen und umwickelte den Körper mit Bandagen, so dass Osiris wiederauferstehen konnte. So wurde der Mythos um Osiris zur Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod für die Lebenden.
Prozessionsstraße zum Abydos Hochplateau
Der Osiristempel von Abydos war ursprünglich dem Gott Chontamenti geweiht, sein Name bedeutet “Erster der Westlichen” (wobei der Westen als Richtung des Sonnenuntergangs mit dem Tod und dem Jenseitsreich gleichgesetzt wurde) und auch er galt als Herr der über die im Jenseits fortlebenden Verstorbenen.
Wie die deutschen Archäologen nun unlängst herausfanden und die Zeitschrift “epoc” berichtete, existiert eine schnurgerade Prozessionsstraße, die den Osiristempel mit einer mythologischen Landschaft verbindet.
Die Prozessionsstraße führt über den “Südhügel”, der in der altägyptischen Mythologie als Ausgangspunkt der Schöpfung gilt, von hier führt er über einen Wadi (Trockental) zu einer Öffnung im Hochplateau – dem “Tor zum Totenreich”. Zwei weitere “Geisterstraßen verbinden den Südhügel mit dem Tempel von Sethos I. und dem mythologischen Osirisgrab und den dieses umgebenden Königsgräbern.
Die Tempelanlagen bilden mit den Prozessionsstraßen und dem “Tor zum Totenreich” im Hochplateau eine mythologische Gesamtlandschaft.
Dieser Weg diente offenbar den Seelen der hier bestatteten Könige aus der Frühzeit Ägyptens als Geisterstraße. Ihre Gräber waren so ausgerichtet, dass dem König nach seiner Wiederbelebung ein freier Zugang zum “Tor ins Totenreich” ermöglicht wurde.
Die Ming-Gräber Chinas
Nach ganz ähnlichen geomantischen Prinzipien wurden in China die Ming-Gräber ausgerichtet: Die Gräber der Kaiser der Ming-Dynastie liegen in einem weiten Tal südlich des Tianshou-Gebirges, etwa 50 km nordwestlich non Beijing (Peking). Dreizehn Ming-Kaiser sind hier bestattet.
Man erreicht die Grabstätten über eine schnurgerade “Geisterstraße”. Sie beginnt am “Großen Palasttor” (Dagongmen) und führt flankiert von Steinfiguren zum Drachen- und Phönixtor (Longfengmen) und weiter zu den Grabanlagen. Sieben Kilometer ist die Geisterstraße lang.
Verheißung der Wiedergeburt
Auch diese mythologische Landschaft ist eine Verheißung der Wiedergeburt, denn das Tal im Tianshou-Gebirge gleicht nicht nur der bekannten Drache-Tiger-Konstellation aus dem Feng Shui, die als besonders vorteilhaft für die Qi-Versorgung gilt.
Das viel ältere mythologische Bild sieht in der Bergkonstellation eine vulvaähnliche Form, ein Tor zur Gebärmutter der “Großen Göttin” – eindeutig ein Relikt aus der matriarchalen Frühphase Chinas. Es ging darum, die Kaiser unmittelbar am Tor zur Gebärmutter zu positionieren, um so eine spätere Wiederauferstehung zu ermöglichen.
In der Psychologie nennt man diesen Vorgang “Regressus ad Uterum”, die Rückkehr in den mütterlichen Geburtsraum. Wie in Ägypten wurden auch die chinesischen Kaiser einbalsamiert und mit kostbaren Jaderüstungen versehen, die verhindern sollten, dass “Hauch- und Schattenseele” sich verflüchtigten, um so eine Wiedergeburt zu ermöglichen.
Parallelen: Feng Shui und Geomantie
Damit zeigt sich, dass im Orient wie im Okzident ähnliche archetypische Vorstellungen vom Tod zur Auswahl ähnlicher mythologischer Landschaften und zu ähnlichen geomantischen Gestaltungen führten.
Hier wie dort war die Geisterstraße schnurgerade und die Grabpositionierung sollte eine begünstigte Stellung für die kaiserliche/königliche Seele garantieren.
So unterschiedlich die eschatologischen Vorstellungen in China und Ägypten wohl auch waren, in beiden Ländern waren Einbalsamierungen, die astrologische Berechnung des optimalen Begräbniszeitpunktes, wie sogar der Bau von Pyramiden übliche Verfahren geomantischer Jenseitsinstallationen.
Mehr dazu in den Büchern:
Einblicke in die Geomantie: Die Erde wahrnehmen und den guten Platz finden