Zunehmende Gefahr in Bayern: Heftiger Regen kann Erdbeben verursachen

Immer wieder kommt es im Alpenraum zu Erschütterungen. Dabei spielen auch andere Umwelteinflüsse eine Rolle. Professor Heiner Igel von der LMU erklärt die Hintergründe.

Seit Beginn des Jahres bebt im Alpenraum immer wieder die Erde. Die Seismologen vom österreichischen Erdbebendienst GeoSphere Austria sehen darin eine ungewöhnliche Häufung, vor allem in Tirol.

Auch die Stärke der einzelnen, aufeinanderfolgenden Beben gibt den Experten Rätsel auf. Selbst in Südbayern sind die Erdstöße inzwischen spürbar, zuletzt erschütterte am 23. Januar ein Beben mit der Stärke 3,8 die Region bei Bad Reichenhall.

Heiner Igel vom Institut für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwigs-Maximilian-Universität (LMU) in München beschäftigt die Erdbebenserie ebenfalls. Als Professor für Seismologie weiß er um die geophysikalischen Besonderheiten der Region. Warum sogar das Wetter bei Erdbeben eine Rolle spielen kann und was das für Bayern bedeutet, erklärt er im Interview.

Herr Igel, die österreichischen Seismologen sehen in der Erdbebenserie eine ungewöhnliche Häufung. Sie sind anderer Ansicht. Weshalb?

Professor Heiner Igel: Erstmal ist zu sagen, dass die Beben absolut nichts Ungewöhnliches sind. Im Alpenraum gibt es Verwerfungen, in denen immer wieder Beben stattfinden. Es ist ein junges Gebirge, der afrikanische Kontinent drückt auf die eurasische Platte – in dieser Region sind Maximal-Magnituden von 3 bis 4 also relativ normal.

Wie sind die Beben ihrer Ansicht nach einzuschätzen?

Igel: Nach allem, was wir beobachtet haben, sehen wir eine Schwarmbebenaktivität. Schwarmbeben unterscheiden sich von normalen tektonischen Beben dadurch, dass sie in ihrer Stärke ansteigen und wieder abschwellen, wobei die größte Magnitude oft in der Mitte liegt.

Sehen Sie in diesen Schwarmbeben ein Potenzial für ein größeres Beben?

Igel: Historisch sind sehr große Schadensbeben in diesen Regionen nicht zu erwarten. Für ein großes Beben braucht man eine große Verwerfungsfläche und die gibt es in einem so stark deformierten Gebiet wie den Alpen weniger.

„Die Erdkruste ist wie eine Windschutzscheibe“
Können Sie das näher erklären?

Igel: Stellen Sie sich die Erdkruste wie eine Windschutzscheibe vor. Wie die Erdkruste steht die Windschutzscheibe unter Spannung und kann jederzeit reißen, wenn ein Riss entsteht. Die Frage ist immer, wie weit es bricht, bis es zu einem Widerstand kommt und nicht weiter aufbricht. Durch die komplexe Topografie und Morphologie der Alpen gibt es eben weniger große Bruchflächen.

In Sumatra beispielsweise haben wir eine Bruchlänge von 1500 Kilometer. Diese Situation ist im Alpenraum nicht gegeben. Das ist aber alles auch relativ. Wir haben etwa die Inntal-Störung (eine Verschiebung, die im Tiroler Unterinntal östlich von Innsbruck existiert und über weite Bereiche die nördlichen Kalkalpen von den zentralalpinen Gebieten trennt; Anmerkung der Redaktion). Die Verwerfung ist relativ lang und in der Tiefe vertikal und kann auch mal eine Magnitude 6 oder größer produzieren.

Das heißt, in Bayern besteht überhaupt keine Gefahr für stärkere Beben?

Igel: Es gibt mehrere Regionen in Bayern, die seismisch aktiv sind. Aber wir gehen davon aus, dass große Schadensbeben sehr unwahrscheinlich sind.

Viele Naturphänomene nehmen aufgrund der klimatisch veränderten Bedingungen an Intensität zu. So werden etwa Extremwetterereignisse häufiger. Gibt es äußere Einflüsse, die sich auch auf die Erdbeben im Alpenraum auswirken können?

Igel: Zwei Dinge dazu: Überall wo sich Gletscher zurückziehen, gibt es eine Entlastung, einen sogenannten ‚glacial rebound‘. Durch die Gletscherschmelze wird Masse weggenommen und die Erdkruste hebt sich leicht an. Das sind keine großen Bewegungen, aber jede Entlastung erhöht die Wahrscheinlichkeit von Erdbeben, weil sie den Druck von Verwerfungen nimmt und diese deswegen leichter brechen können. Das zweite sind vom Regen induzierte Beben – ein sehr lokaler und spezieller Effekt.

Starkregen als Klimafolge in Bayern – auch Erdbeben sind wahrscheinlicher
Was lässt sich unter einem regeninduzierten Beben verstehen?

Igel: Das sind Erschütterungen, die durch starke Regenfälle ausgelöst werden. In der Regel mit Magnituden um den Wert 2,0 liegend. Wichtig dabei: Das ist ein sehr regional begrenztes Phänomen. Es hängt auch vom Gestein ab. Poröser Kalkstein zum Beispiel kann dabei eine große Rolle spielen.

Sie waren die ersten, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Starkregenereignissen und Erdbeben festgestellt haben. Wie ist ihnen das gelungen?

Igel: Wir haben ein physikalisches Modell entwickelt, mit dem wir die Erhöhung des ‚Porenwasserdrucks‘ in der Tiefe durch das einfließende Wasser und die damit verbundene Erhöhung der Seismizität erklären konnten. Im Prinzip wirkt das Wasser wie Schmiermittel auf der Verwerfung, das Beben erleichtert.

Nun sind die Prognosen der Wissenschaftler über die Auswirkungen des Klimawandels für Bayern weitestgehend einstimmig: Der Freistaat wird vor allem mit längeren Hitze- und Dürreperioden, aber auch mit Starkregenereignissen zu kämpfen haben. Da stellt sich die Frage: auch mit stärkeren Erdbeben?

Igel: Wenn man davon ausgeht, dass es mehr Starkregenereignisse gibt, ist es nicht ausgeschlossen, dass es auch öfter zu Erschütterungen kommt. Die Region unter dem Hochstaufen bei Bad Reichenhall ist sehr bekannt für Schwarmbeben, die nachweislich durch Regen ausgelöst werden. Das ist eine relativ junge Erkenntnis. Da muss man dazu sagen: Wir gehen nicht davon aus, dass dort große Schadensbeben in der Region zu erwarten sind.

Politische Forderung nach Fracking: Wahrscheinlichkeit groß, dass man Beben verursacht
Wenn Flüssigkeiten Erdbeben auslösen können, dürfte auch das sogenannte Fracking als Energieerzeugung fragwürdig sein. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) brachte 2022 im Zuge der Gas-Krise diesen Vorschlag ein. Im aktuellen Regierungsprogramm positioniert sich die Staatsregierung klar dafür. Sehen Sie als Wissenschaftler hier eine Gefährdung?

Igel: Immer wenn man Flüssigkeit in die Erde bringt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man kleinere Erdbeben verursacht. Die entscheidende Frage dabei ist immer: Ist in der Nähe eine große Verwerfung, an der ein großes Beben entstehen könnte. In Bayern ist das relativ sicher auszuschließen.

2 Kommentare

  1. „Erstmal ist zu sagen, dass die Beben absolut nichts Ungewöhnliches sind. Im Alpenraum gibt es Verwerfungen, in denen immer wieder Beben stattfinden. Es ist ein junges Gebirge…“

    Die Alpen sind kein junges Gebirge:

    „Es handelt sich bei den Pyrenäen um eine rund 430 Kilometer lange Gebirgskette. Die Pyrenäen trennen die Iberische Halbinsel im Süden vom übrigen Europa >> im Norden. Die Pyrenäen sind Teil vom Alpidischen Gebirgssystem. Es wird der Fachbegriff „Alpidische Orogenese“ genannt. Dabei handelt es sich um die bislang letzte globale Gebirgsbildungsphase, in der auch die Alpen gebildet wurden. Die Pyrenäen spannen sich vom Atlantischen Ozean im Westen (Golf von Biscaya) bis zum Mittelmeer im Osten (Golf de Roses).“ ->

    https://www.mythologie-antike.com/t1040-pyrene-mythologie-eponyme-heroine-der-pyrenaen

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